mäßig wieder zusammen, und unsere Fahrt ging mit dem Erzählen über alles, was jeder von uns erlebt hatte, und noch die kleinste Kleinigkeit war dabei außerordentlich wichtig, sehr schnell dahin. In Duingen hatte die Bahnverwaltung doch wieder Angst bekommen, ob wohl auch alles glatt gehen würde, und unser dicker Lagerführer hatte orakelt:„Ob sie wohl alle wirklich wiederkommen?"” Wir waren aber alle an dem fest- gesetzten Abend wieder vollzählig zur Stelle. Schon mit Rücksicht auf die im Lager zurückgebliebenen Schicksalsgenossen hatte keiner von uns daran gedacht, diese Gelegenheit zu benutzen, um sich nun von unserem gemeinsamen Abenteuer endgültig„abzusetzen oder seine„Ferientage” auch nur eigenmächtig zu verlängern,
Es war alles gut gegangen. Die Gestapo hier wie dort hat nie etwas von diesem Weihnachtstrip ihrer Häftlinge erfahren,
26. Sylvesterfeier,
Eigentlich war es beabsichtigt gewesen, diejenigen unsrer Kameraden,
die zu Weihnachten nicht hatten nach Hause fahren können, zum Jahres-
wechsel auf dieselbe Weise zu„beurlauben”, wie dies bei uns geschehen war, Damit kam jedoch unser Vertrauensmann Schulenburg bei der Bahn- verwaltung nicht durch. Der ebenso menschenfreundliche wie ängstliche Herr Sachse hatte im Hinblick auf unser Weihnachtsunternehmen so un- ruhige Festtage verlebt, daß er sich von den hierdurch für ihn entstande- nen Nervenstrapazen erst erholen mußte und demzufolge dekretierte, daß er für solche und ähnliche Wünsche vor dem 10, Januar des neuen Jahres unter gar keinen Umständen zu sprechen sei, Es blieb infolge- dessen nichts anderes übrig, als den„Heimaturlaub‘ unserer bisher hier noch leer ausgegangenen Schicksalsgenossen zunächst zu vertagen und das Fest des Jahreswechsels im Lager mit voller Belegschaft zu begehen.
Auf unserer Weihnachtsreise hatten wir genug Wein und sonstige alkoholische Getränke organisieren können, so daß für einen recht feucht- fröhlichen Verlauf des Festes gesorgt gewesen wäre, Ein gewisser Ernst blieb aber auf der im Verlaufe der Sylvesternacht recht lärmend werden- den allgemeinen Vergnügtheit haften. Jeder von uns wußte, daß wir einem schicksalsvollen Jahr entgegengingen, in dem die Entscheidung über den Kriegsausgang und damit auch über unser eigenes Los fallen würde. Dies Gefühl hemmte die Ausgelassenheit etwas, mit der man sonst allgemein gewohnt ist, das junge Jahr zu begrüßen, Immerhin schlug auch in unserem nun von der grimmigsten Winterkälte bedrohten Lager der bei diesem Fest übliche Übermut einige Purzelbäume, Unser Kamerad Hen Delius fand seine Lustigkeit, die er nach seinen Erzählungen in früheren Jahren gehabt hatte, tatsächlich für einige Stunden wieder und dichtete Schnaderhüpferln auf jeden einzelnen von unserer ganzen Sipp- schaft, die so komisch wirkten, daß alles sich dauernd vor Lachen aus- schütten wollte, Unser Seefahrer Ferdinand spann manches Seemanns- garn, das so grotesk war, daß er wohl von seinen Zuhörern beim besten Willen keinen Glauben erwarten konnte, und unser Stubenältester Lüders
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