Durch diese Maßnahme ällein ist das Leben Tausender erhalten geblieben. Besonders unter den Ausländern, bei den Polen , Tschechen, Franzosen, Hol- ländern und Norwegern. Hilfskomitees hatten sich in diesen Ländern gebildet, die die Häftlinge des Auslandes mit guten Lebensmitteln versorgten. Nur die Russen hatten keine Verbindung mit ihren Angehörigen, und auch kein Hilfs- komitee sorgte sich um sie.

Um die Arbeitsleistungen des Lagers zu erhöhen, arbeitete die Lagerleitung mit Prämienversprechungen und gab Zigaretten aus an die Eifrigen, Die Eifrigen aber waren nur die Vorarbeiter und die noch untergeordneteren Büttel. Das Lager selbst ließ sich nicht ködern. Die übergroße Mehrheit der Häftlinge hielt sich an das Arbeitstempo der Russen und ließ ohne Mißgunst ihre Vorarbeiter und die, die es gern werden wollten, die Köderzigaretten rauchen.

Da platzte im November 1942 eine neye Bombe im Lager. Als erster wurde der Lagerälteste verhaftet und in den Bunker des Frauenlagers gesperrt. Ihm folgte eine Anzahl weiterer Häftlinge, hauptsächlich Grüne. Nach wenigen Tagen lagen etwa vierzig Häftlinge aufEis. Sie wurden in ungeheizte Zellen gebracht und waren nur mit Strümpfen, Unterhose und Hemd bekleidet. Die Zellen waren leer, ohne Pritschen, Decken und Hocker. Die Häftlinge konnten sich weder legen noch setzen. Zu essen gab es alle vier Tage nur ein paar Pellkartoffeln,:

Am nächsten Morgen nach dem Verhaftungstage erschien in jeder Zelle der Gewaltigste und Gefürchtetste des Lagers, der Kriminalkommissar Ram- dohr, ein großer, hagerer, aber kräftiger Kerl, mit jenem anderen Typ von Nazigesicht, nicht breit und brutal, sondern schmalen Schnittes, glatt rasiert und gepflegt, aber unglaublich zynisch, selbstgefällig und überheblich. Er erkundigte sich höhnisch nach demBefinden des Häftlings, legte ein Blatt Papier und Bleistift auf die kalte Dampfheizung, mit dem Bemerken, wenn er etwas zuerzählen habe, dann solle er das aufschreiben. Ramdohr schloß die Tür wieder und ließ sich während der nächsten vierundzwanzig Stunden nicht mehr sehen.

Der Häftling war nun wieder allein mit der grimmigen Kälte und seinem Hunger. Beides quälte ihn. Nachts übermannte ihn der Schlaf, aber er durfte nicht schlafen, er würde erfrieren. Er dämmerte nur etwas, um in der nächsten Minute wieder aufzustehen, sich Bewegung zu machen. Er zitterte und bebte vor Kälte. Und im Magen wühlte der Hunger.

Er hatte nur die Wahl: Zusingen, das heißt, seine Kameraden zu ver- raten, auch beteiligte SS -Leute zu beschuldigen, oder langsam elend zugrunde zu gehen. F

Singen bedeutete Erlösung von diesen furchtbaren Qualen, bedeutete warme Zelle, Bett, Decken, Schlaf und Essen.

Schon nach wenigen Tagen fingen alle dieschweren Jungens an, zu schreiben, verrieten ihre Kameraden, beschuldigten SS -Leute, mit denen sie zusammen geschoben hatten, und schrieben alles auf, was sie wußten.

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