Wolfs wurde selbstverständlich zur Rechenschaft gezogen. Aber diesmal waren die Sympathien des Lagerführers nicht bei seinem Schützling Leon: hardt, sondern bei dem kleinen mutigen.Draufgänger Fritz Wolfs.

Der Lagerführer hörte sich beide an, drehte sich um und ließ sie abtreten.

Die erste Bresche

In den ersten Wochen meiner Schreibertätigkeit hatte ich neben den laufen. den Tagesarbeiten eine doppelte Kartothek der Zugänge aus Buchenwald an- zulegen. So lernte ich alle Häftlinge kennen, ihre Vorstrafen und wußte bald, wer mein politischer Freund war, um ihm meine Hilfe zu gewähren. Die Hilfe war mannigfaltigster Art. Ich gab sie ihm durch Lebensmittel oder durch Vermittlung in ein anderes Kommando. Aber schon die Tatsache, daß er mein Freund war und ich mit ihm auf der Lagerstraße spazierenging, konnte ihm von Nutzen sein. Der primitive Vorarbeiter, der uns sah, konstruierte dar- aus eine Intrige gegen sich und einen Anschlag auf seine Stellung. Dabei war mein persönlicher Einfluß auf den Lagerältesten gleich Null und unser Verhältnis ähnlich dem zwischen einem General und einem einfachen Soldaten. Leonhardt war eitel und arrogant und verwischte nicht die Distanz zwischen uns beiden.

Mir war das recht. Ich habe auch nie den Versuch gemacht, persönliche Beziehungen zu diesem schurkischen Banditen zu bekommen, der so viele Häftlinge umgebracht hatte und das ganze Lager terrorisierte. Ich lavierte mich durch die Gefahren und Schrecknisse dieser Zeit hindurch, um meinen Freunden zu helfen, und wartete still und zäh auf den Augenblick, um das Lager von jener nationalsozialistischen Mordbestie zu befreien und dem ver- brecherischen Klüngel das Haupt zu nehmen.

Ich wußte, daß ich mit meinem Leben-spielte. Wenn mein Material nicht ausreichte, den Schurken zu stürzen oder mein Plan vorzeitig bekannt wurde, hätte mich der Klüngel aufgehängt oder auf, der Lagerstraße zertreten. Ich behielt darum alle meine Beobachtungen für mich und hielt mich in dieser kritischen Zeit auch von allen politischen Freunden fern, um keinen Ver- dacht bei Leonhardt und seinen Freunden aufkommen zu lassen,

Während Leonhardt jeden Brot- und Kartoffeldieb zu Tode prügelte, aßen er und seine Freunde reichlich und gut. Wochenlang schon hatte ich beob- achtet, daß in einem Versteck unter seinem Schreibtisch jeden Morgen eine frische Wurstkonservenbüchse stand, ebenso wurden die Bestände in Mar- garine, Zucker, Brot und Marmelade ständig erneuert.

Bekam dieser SS-Büttel solche Delikatessen von der SS oder rührten sie aus Einbruchsdiebstählen in der Häftlingsküche?

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