Das war die Rettung, durchzuckte es mein Gehirn. Ich hatte wieder Atem. Meine Brust dehnte sich. Ich bekam wieder Lebensmut.
Am nächsten Morgen meldete ich mich bei ihm. Er führte mich in meine Arbeiten ein, und Montag früh mußte ich meine neue Stellung antreten. Hätte Leonhardt gewußt, daß ich einmal sein rächendes Schicksal werden würde, er hätte mich am ersten Tage erwürgt.
Langsam, sehr langsam erholte ich mich. Meine vordringliche Sorge war, mehr Essen zu bekommen. Ich kam mit Häftlingen aus der Küche in Berührung und durfte mir jeden Tag nach der Essenausgabe einen Nachschlag holen. Aber satt wurde ich nicht mehr. Es war mir oft selbst unheimlich, was mein Magen aufnehmen konnte.
Nach einigen Wochen war das Wasser aus dem Leib, den Oberschenkeln und den Knien verschwunden. Nur in den Füßen hielt es sich noch monatelang.
An den Falschen geraten
Die Sonntage gehörten damals noch den Häftlingen. Es wurde an diesen Tagen nicht offiziell gearbeitet. Wir hatten die Möglichkeit, unsere Spinde und unsere Wäsche in Ordnung zu bringen. Da wurde geschrubbt, gewaschen, genäht, geflickt und gestopft. Denn um 9 Uhr kam der Arbeitsdienstführer durch die Baracken, und wehe dem Häftling, der auffiel! Während wir emsig bei der Arbeit waren, gab es in der Nachbarbaracke Nr. 1 einen tumultuarischen Auflauf.
Ich eilte zum Fenster und sah folgendes Bild: Der Lagerälteste Leonhardt stand in Kampfstellung gegen einen schmächtigen, kleinen politischen Häftling. Es handelte sich um den Schneidercapo Fritz Wolfs aus Ehrang bei Trier . Leonhardts Autorität stand auf dem Spiel. Er brüllte und tobte. Wolfs blieb ihm keine Antwort schuldig.
Als Leonhardt den Versuch machte, sich mit seinen Prügelmethoden durchzusetzen und sich auf Wolfs zu stürzen, mußte er schnell erkennen, daß er an einen Falschen geraten war und diesmal seinen Meister gefunden hatte. Noch ehe Leonhardt überhaupt ausholen konnte, hatte ihm dieses kleine, flinke und ganz unscheinbare Kerlchen einige so derbe und wuchtige Schläge versetzt, daß Leonhardt in wilder Angst floh und Schutz beim Lagerführer suchte.
Und hinter ihm her scholl der lärmende Beifall und die höhnenden Unkenrufe der Häftlinge.
Fritz Wolfs war der Held des Tages. Zum ersten Male hatte es ein Häftling gewagt, ein Roter, sich gegen den Gewaltigen des Lagers öffentlich aufzulehnen und ihn in die Flucht zu schlagen. Das war etwas Unerhörtes und hielt das ganze Lager tagelang in Atem.
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