Als wir die breite„Carrachostraße‘“— einer Straße, die von den Häft- lingen im--Laufschritt(Carracho) erbaut worden war— hinter uns hatten, die Musikklänge am Tor verklungen waren, und die Straße eine Biegung machte und bergan führte, erscholl das Kommando:„Laufschritt. marsch, marsch!“
Der Zug wurde durch‘die vielen Schwachen auseinandergerissen, und nun traten eifrige Vorarbeiter, Herzogs rechte Hände, in Tätigkeit, schlugen, traten und stießen die Zurückgebliebenen vorwärts. Viele blieben auf der Straße liegen und mußten nachgetragen werden.
Ich keuchte vorwärts, wollte nicht zurückbleiben und bot meine letzte Kraft auf. Aber es ging nicht mehr. Ein kräftiger, ausgefressenep’Vorarbeiter, mit gierig aufgerissenen Augen und einer wahren Verbrecherphysiognomie, stürzte sich”brüllend auf mich, schlug und trat mich vorwärts.
Der Weg wollte kein Ende nehmen. Meine Kräfte schwanden. Ich blieb zurück. Mochte nun kommen, was wollte. Mochte sich das Schicksal an mir gleich hier vollziehen. Viele Tage würde ich dieses Gehetztwerden doch nicht aushalten. Ich lehnte mich abseits an einen Baum, bis meine keuchenden Atemzüge ruhiger geworden waren.
Die Massen der Halbtoten torkelten wie irrende Gespenster in der naß- kalten Nebelluft an mir vorüber und verschwanden vollends im Nebel.
Niemand hatte mich gesehen. Ich war allein, wußte aber nicht, wo ich mich befand./
Kommandos ertönten:„Antreten!“‘ Der Lebenswille in mir war wieder wachgeworden.
In panischer Angst jagte ich in der Richtung auf die Kommandorufe. Ich konnte nichts sehen. Der Nebel hatte alles Gegenständliche gleichsam aufgesogen, den Raum uferlos gemacht und Scheinbar aufgelöst. Ich rannte hinein in die unheimliche graue Raumlosigkeit, nur gespanntes\ Ohr für die Kommandorufe. Immer näher tönten sie. Plötzlich stand ich am linken Flügel der Kolonne, reihte mich ein und wurde mitgezählt. Niemand von den Vorarbeitern hatte etwas bemerkt. Ich atmete auf.
Dann hieß es:„Zugänge nach links heraustreten!“ Herzog kam selbst und teilte die Zugänge auf die einzelnen Kommandos auf:-
„An die Loren!“,„In die Schießbahn!“,„Zum Steinetragen!“,„In den Steinbruch!“
Ich kam in die Schießbahn und mußte mich mit Pickel und Schaufel ver- sehen. Ein Vorarbeiter nahm uns— etwa fünfzig Häftlinge— in Empfang und führte uns nach unserem Arbeitsplatz./
Dort mußten wir unter seiner Aufsicht und nach seinen Anweisungen Planungsarbeiten verrichten. Es war eine schwere und mühsame Arbeit in, steinigem und nassem Lehmboden. Wir"durften uns nicht aufrichten, um eine kurze Pause einzuschieben. Ununterbrochen sauste der schwere Pickel® indie klebrige, mit Steinen durchsetzte Erdmasse, in der er höchstens stecken-
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