Zwischen 1933 und 1940
s war der 30. Januar 1933. Ein düsterer Himmel wölbte sich über der
Es Regenwolken
öffneten in kurzen Intervallen ihre Schleusen. Die Straßen waren rein gewaschen. Nur hie und da befanden sich noch schmutzig- graue Schneereste an den Straßenrändern. Vor dem stark strömenden Regen eilten die Menschen in schützende Häuser oder versuchten, mit der überfüllten Elektrischen nach Hause oder an ihre Arbeitsstätte zu gelangen.
Im Zeiss- und Schottwerk in Jena war die Mittagspause noch nicht beendet. Erst in einer halben Stunde würde sich die Stadt mit den Tausenden von Arbeitern und Angestellten beleben.
Niemand ahnte, was sich am Vormittag dieses Tages in Berlin ereignet hatte. Weder Begeisterung noch Entsetzen war in den vom Gleichschritt des Alltags stumpfen Gesichtern zu lesen.
Nachdem ich in eilender Hast die ersten Nummern der Zeitung bei der Rotationsmaschine überprüft und zum Druck freigegeben hatte, verließ ich die Redaktion und eilte durch den Regen, um eine Elektrische zu erreichen. An der Haltestelle erwartete mich meine Frau.
Es war gar nicht ihre Art, mich an schlechten Wettertagen abzuholen. Aber an diesem Mittag trieb sie ein beklemmendes Gefühl zu mir. Ich beruhigte sie, daß nichts Bedrückendes oder Bedrohliches vorgefallen sei.
Wir gingen nach dem Stadtinneren und schwenkten in die enge Wagnergasse ein. Wegen des Regens und der Enge des Bürgersteiges gingen wir hintereinander und drückten uns dicht an die Fronten der kleinen, winkligen Häuschen.
Plötzlich lähmte mich ein erschreckter Ausruf meiner Frau. Sie stand vor dem leeren Schaufenster der dürftigen Nazi- Buchhandlung. In ihren Augen war fassungsloses Entsetzen.
An dem Schaufenster war ein kleiner Zettel angeklebt. Mit Schreibmaschinenschrift stand zu lesen:
,, Der Reichspräsident von Hindenburg empfing heute Adolf Hitler und ernannte ihn zum Reichskanzler des Deutschen Reiches ." Schweigend las ich es, schweigend nahm ich den Arm meiner Frau und ging in der Richtung nach unserer Wohnung in der Erfurter Straße. Schweigend gingen wir an der Wohnung vorbei, stiegen auf schmalen Pfaden die
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