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\ Jede Berührung mit der Außenwelt ist wie ein Zu-
sammenstoß feindlicher Sterne und gefährdet unser
seltsames Dasein. Kaum hatten wir die Furcht verloren,
daß noch ein Brief von Christa an unseren Wirt unter-
wegs gewesen und in die Hände des Postvorstandes ge-
fallen sein könnte, als sich heute eine andere Über-
raschung ereignete. Richard, Janinas zweiter Sohn,
tauchte plötzlich aus der Nacht der Judenverfolgung bei uns auf. Er war schon früher in Zbaraz gewesen, hatte sich dann aber durch den Verkauf all seines Be- sitzes einen gefälschten Ariernachweis verschafft und
als Nichtjude in Krakau gelebt. Es beschäftigten sich in Polen viele Leute mit der Herstellung von Ariernach- weisen, die sie gegen sehr viel Geld an die gefährdeten Juden verkauften. Diese Leute waren aber auch in den meisten Fällen Erpresser. Richard hatte das Unglück, solchen Erpressern in die Hände zu fallen, und wenn er auch dank der falschen Papiere außerhalb des Ghettos unter den Polen leben konnte, so hatte er doch keinen Tag Ruhe vor den Geldforderungen und Drohungen der skrupellosen Geschäftsleute, denen er ausgeliefert blieb. Als es ihm schließlich unmöglich wurde, noch einen ein- zigen Zloty aufzutreiben, wollten ihn die Erpresser als Juden anzeigen und verschwinden lassen. Richard floh auf abenteuerlichen Wegen zu uns und sank erschöpft, ein gehetztes Wild und am Ende seiner Kräfte, in un- serem Keller nieder. Es gab einen entsetzlichen Kampf mit unserem Wirt. B. wollte Richard unter keinen Um- ständen dulden, und erst nach vielen Bitten, in denen ich mich tief vor ihm demütigen mußte, gab er wider- willig die Erlaubnis, daß Richard bleiben durfte. Aber es waren harte Bedingungen, die B. uns stellte. Richard
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9 Littner, Aufzeichnungen x 129


