Trotz der Müdigkeit, trotz der Strapazen und der Erregung der letzten Tage, fanden wir in der Nacht keinen Schlaf. Ein innerer und ein äußerer Frost quälten den Körper und die Seele. Wir meinten in dem Loch, das uns zur Rettung geboten war, verfaulen zu müssen. Wir lagen in der dunklen Tiefe der Erde, und doch konnten wir nur mit Grauen an die Oberwelt denken, wo nun, wie wir annehmen mußten, das Ghetto liquidiert wurde. Liquidieren ist ein Fachausdruck für vernichten, und vernichten heißt töten.
Am frühen Morgen hörten wir ununterbrochenes Schießen aus der Richtung des Ghettos. Später kam der Bäcker und erzählte, die Aktion sei in vollem Gange. Er berichtete, wie viele, die wir kannten, sich in ihren Hütten oder auf der Straße vergiftet hätten. Die anderen wurden erschossen. Sie mußten sich selbst das Grab schaufeln, vor dem sie dann aufgestellt wurden, um die Kugel zu empfangen. Bis spät in die Nacht hinein hörten wir das Knattern des Maschinengewehres. Dann war Stille. Der Tod war satt. Die letzte Aktion war beendet. Die SS hatte gründlich gearbeitet. Zbaraz war juden- rein. r
Zbaraz ist judenrein! Die Gewehre schweigen. Der, Tod schweigt. Die Gräber schweigen. Deutschland schweigt. Die toten Juden sind still. Um uns schweigt die Welt. Wir, die wir uns in ein Erdloch retteten, sind von schweigenden, feuchten Mauern umgeben. Wir leben in Finsternis. Auch die Finsternis ist still. In unserer Höhle ist es finster, kalt und still, wie in
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