Professor Halpern hat sich unser erbarmt und uns in dem kleinen Raum aufgenommen, den er mit seiner Frau, seinem Sohne und einem angenommenen Kind, dessen Eltern bei der letzten Aktion ermordet wurden, bewohnt. Wir haben nur die Möglichkeit, in einer Ecke auf dem Boden zu liegen, aber es ist wenigstens ein Dach über dem Kopf und Schutz vor den Milizpatrouillen, die uns von der Straße jagen.

Das Restghetto ist eine einzige Armsünderzelle. Auf der Straße begegnen die Juden einander wie schon Ge- storbene. Sie grüßen sich nicht mehr mit Worten, sie grüßen sich nur mehr mit Tränen. Wir sind Fische im Bassin eines Kochs. Und wir sind nur mehr wenige.

Heute Morgen kamen zweimal SS-Männer in die Ju- denstraße, und jedesmal gab es eine Panik. Das gemein- same Kartoffelsuppe-Essen mit der Familie Halpern verlief düster. Nach Tisch schrieb ich. Janina war mit dem Geschirr beschäftigt. Frau Halpern hatte sich sauber gewaschen, frische Wäsche angelegt und ihr gutes Kleid angezogen. Dann bat sie mich, ihren Mann und ihren Sohn zu rufen. Während ich sie rief, sprach sie leise mit Janina. Janina erschrak. Ihrem Mann und ihrem Kinde sagte Frau Halpern, sie möchten ihr nicht böse sein. Aber sie müsse nun gehen. Auch mir reichte

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