DS
hatten— zeigt sich eine deutliche Ablehnung dieser Po- litik der Brandstiftung und der Plünderung. Es wird im Volk gegen die Regierung geschimpft und böse Witze lachen über die„Reichsscherbenwoche“. Ich kann nicht lachen. Ich fürchte neue Gewaltmaßnahmen. Das unsichtbare Ghetto umschließt die noch scheinbar frei umhergehenden Juden. Ich mußte meine alte Wohnung aufgeben und in ein„jüdisches Zimmer“, also zu einem Juden ziehen. Es ist allen nichtjüdischen Hausbesitzern verboten, Juden zu beherbergen. Mein Laden ist von der Polizei geschlossen worden und weder ich noch Christa dürfen ihn betreten.
Auch dies hat die Zeit mit sich gebracht: ich weiß nicht, ob ich das Weihnachtsfest feiern soll oder nicht;
ob ich es feiern darf, oder ob ich es nicht feiern darf; ob es als eine Anbiederung und ein Mangel an Stolz betrachtet werden könnte, wenn ich mir einen Weih- nachtsbaum kaufen würde, oder ob es im Gegenteil ein Zeichen meiner inneren Freiheit von aller Propaganda der Rassentrennung wäre, wenn ich es doch täte. Ein {rommer Jude würde mir den Lichterbaum als christlich verwehren, und unter den Nationalsozialisten gibt es besonders orthodoxe Eiferer ihrer Lehre, die wiederum Weihnachten als eine jüdische Angelegenheit betrach- ten, von der sie Deutschland befreien wollen. Ich habe das Fest bisher naiv gefeiert; ich freute mich, schenken zu können und auch selber von lieben Menschen eine ‚Gabe zu empfangen. Ich habe für den Weihnachtsabend
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