Häftlinge über eine besonders hierfür hergerichtete Marsch- strecke im Lager täglich, bei jeder Witterung. 40 und mehr Kilometer mit einem Gepäck von einem halben Zent- ner zu jagen. Diese»Schuhprüfstelle« unterstand dem Wirt- schaftsministerium direkt. Das KZ-Lager Sachsenhausen war nur insofern daran beteiligt, als es den Platz und die Häftlinge»stellte«. Die Lagerführung tat das gern, denn die Bedingungen in dieser Prüfstelle waren so unmenschlich hart und qualvoll, daß die hierzu täglich abkommandierten 180 Häftlinge gemeinhin als die»Strafkompanie« des Lagers angesehen wurden. Die ohnehin schon ausgemergelten, halb- verhungerten Häftlinge mußten in dieser Abteilung bei jeder Witterung, bei Wind und Wetter, Regen und Schnee, Runde um Runde, Stunde um Stunde, Kilometer um Kilo- meter marschieren, laufen, hüpfen, kriechen, robben, mit einem halben Zentner Sandballast auf dem Rücken, ge- peitscht und geprügelt, bis sie bewußtlos oder gar tot zu- sammenbrachen.
Brennscheidt war der Herr über dieses Häuflein Be- dauernswerter. Er war kein SS-Mann, kein organisiertes faschistisches Parteimitglied. Aber er erwies sich um keinen Deut besser als jede andere Bestie der schwarzen Horde. Er, der»Beamte« des Reichswirtschaftsministeriums, schrak keinesfalls vor der Ungeheuerlichkeit des KZ-Lagers zurück, sondern erwies sich im Gegenteil bald seiner uniformierten Spießgesellen würdig, nahm an allen Mißhandlungen und Folterungen der Häftlinge teil und war endlich so tief ge-° sunken, daß er»zum Spaß«, wie er sich auszudrücken be- liebte, Häftlinge von Hunden zerfleischen ließ.
Brennscheidt gibt somit ein furchtbares Musterbeispiel dafür ab, wie sehr die vom Faschismus bewußt herbei- geführte Demoralisierung in Deutschland bereits um sich gegriffen hatte, nämlich so weit schon, daß sogar ein der Nazipartei Fernstehender, ein beliebiger Beamter des Wirt- schaftsministeriums, anfällig genug war und bereit, ohne Zaudern und Überlegung, ohne Scheu und Gewissen zu jedem Naziverbrechen die Hand zu leihen.
Über die barbarischen Zustände in der»Schuhprüfstelle«
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