plagest, nachdem wir solange Unglück leiden..." Das betete Hans Scholl nicht nur für sich, sondern für sein so lange schon geplagtes und unglückliches deutsches Volk.

Den anderen gewünschten Bibelabschnitt aus dem 1. Korinther­brief legte ich meiner Beicht- und Abendmahlsvermahnung zu Grunde, denn beide Geschwister begehrten, wie es vor allen Hinrichtungen üb­lich ist, den Empfang des Altarsakramentes. Ich ging davon aus, daß sich auch jetzt das Wort des Heilandes erfülle: ,, Niemand hat größere Liebe denn die, daß er sein Leben lässet für seine Freunde." Auch der ihnen bevorstehende Tod sei, so sagte ich, ein Lebenlassen für die Freunde, ein Opfertod fürs Vaterland, durch den viele gewarnt und ge­rettet werden sollen vor weiterem wahnwitzigen Blutvergießen. Einer aber habe für die ganze Menschheit wie ein Verbrecher den schmäh­lichen Tod am Kreuzesgalgen erlitten, er sei auch für uns gestorben und habe durch seinen Opfertod den Eingang zum ewigen Leben ge­öffnet, so daß uns ,, kein Tod töten" könne. Seiner Liebe verdanken wir, daß wir vor dem Richterstuhl des Ewigen bestehen und gnädig an­genommen werden, auch wenn irdische Richter uns verurteilen, die sich ihrerseits auch einmal dem ewigen Richterspruch stellen und beugen müssen. Die Liebe und Gnade Christi verlange und ermögliche es auch, daß wir selbst unsere Feinde lieben und unseren ungerechten Richtern verzeihen können. Von dieser geradezu übermenschlich an­mutenden Liebe redet der Apostel im 13. Kapitel des 1. Korinther­briefes, das seinen Hymnus mit den Worten beginnt: ,, Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönend Erz und eine klingende Schelle..." Und so beteten wir miteinander Vers für Vers dieses Preises der Agape. Als wir zu den Worten kamen: ,, Die Liebe ist langmütig und freundlich, sie läßt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu..." fragte ich ausdrücklich, ob dies wirklich zutreffe und kein Haß noch Bitter­keit auch gegenüber den Verklägern und Richtern das Herz erfülle. Fest und klar lautete die Antwort: ,, Nein, nicht soll Böses mit Bösem vergolten werden, und alle Bitterkeit ist ausgelöscht." Angesichts sol­cher eigens betonten Gesinnung konnte die Absolution leichten Herzens erteilt werden, und das Mahl der Liebe und Vergebung, das nach der Lehre der Kirchenväter und Luthers auch ein ,, Heilmittel gegen den Tod und für die Unsterblichkeit" ist, wahrhaft im Geiste und Sinne seines göttlichen Stifters gefeiert werden. Die Armensünderzelle weitete

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