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im Sammellager vor der Deportation geschenkt bekommen hatte, eine Ersatzbrille und manche anderen wichtigen Kleinigkeiten waren darin untergebracht. Ich tastete mit der rechten Hand meine ganze Umgebung ab. Nichts! Aber ich konnte mich hier nicht lange aufhalten, es war ge­fährlich, weiterzusuchen und womöglich die Richtung zu verlieren. Ich mußte die Handtasche verloren geben, ich durfte mich nicht an irgendein materielles Besitztum klam­mern! Also weiter. Irgendwo in der Ferne hörte ich den Stundenschlag von einem Kirchturm her. Ich versäumte, die Schläge zu zählen, die Zeit war mir unwichtig geworden. Ich ging noch langsamer, setzte die Schritte noch vor­sichtiger. Da ich hatte den Boden unter den Füßen ver­loren, war gefallen, tausend flammende Sterne tanzten vor meinen Augen! Einen Moment lag ich ganz still. Ich fühlte Steinplatten unter mir. Ich versuchte aufzustehen, ein furchtbarer Schmerz im linken Fuß ließ mich wieder zurücksinken. Ich mußte ihn gebrochen haben, tastend ent­deckte ich, daß er ganz verdreht war. Wenn ich nur wüßte, wo ich mich befand! Jetzt hörte ich Schritte, sah das Licht von einer Laterne oder Taschenlampe. Offenbar hatte man den Sturz im Hause, das zu dem mit Steinplatten oder Zement bedeckten Hof gehörte, vernommen, und jemand kam nachzusehen. Ich rief, es war ja doch nutzlos, sich weiter verbergen zu wollen, da ich nicht ohne Hilfe auf­stehen konnte.

Der Lichtschein näherte sich mir. ,, Bitte, sagen Sie mir, wo ich bin", rief ich. In meiner Stimme mußte meine Angst mitgeklungen haben, denn eine dunkle Männerstimme ant­wortete beruhigend: ,, Seien Sie ganz ruhig, Sie sind auf Schweizer Boden!" Ich war direkt in den Hof des Schweizer Zollhauses gestürzt!

Während des letzten Teils des Weges hatte ich mir vorgehalten, daß der Empfang in der Schweiz sicher nichts weniger als freundlich sein würde, und daß das nur zu verständlich war. Da kam eine Fremde spät nachts über

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