Seite des Baches kommen später die Grenze und das Schwei zer Zollhaus. Das müssen Sie erreichen. Geben Sie mir Ihren Postausweis und ihre Kleiderkarte." Ich reichte beides hinüber, ich hatte sie in meiner Manteltasche bereit gehalten. Es war ausgemacht, daß sie Hella übergeben werden sollten, zum Zeichen, daß ich über die Grenze gelangt war. Aber so weit war es ja noch gar nicht! ,, Bringen Sie mich doch noch etwas weiter", sagte ich ,,, ich kann absolut nichts sehen." ,, Nein", entgegnete er kurz ,,, es ist mir zu gefährlich, Sie müssen sehen, wie Sie allein weiterkommen!" Er war fort wie ein Geist! Ich stand allein. Unten rauschte der Bach, langsam setzte ich Fuß vor Fuß. Ich fühlte, daß ich auf einem Wiesenabhang ging, er mußte ziemlich steil zum Bach abfallen. Also vorsichtig gehen! Wie still es war, das Rauschen des Baches schien die Stille ringsum noch zu erhöhen. Es kam mir vor, als wandere ich außerhalb der ganzen bewohnten Welt, in einem Zwischenreich, in dem sich außer mir kein menschliches Wesen befand. Von meiner Vergangenheit war ich getrennt, schon hatte sich zwischen sie und die Zukunft eine weite Kluft geschoben. Würde ich sie überwinden, oder stand ich vor dem Ende? Aber wie dem auch sein mochte, ein tiefes Vertrauen in die göttliche Macht des Schicksals erfüllte mich jetzt. Wunderbar getrost war ich plötzlich, das Gefühl des unendlichen Alleinseins hatte mich verlassen. Vorwärts schritt ich nun, alles in mir gespannt nur auf das vorsichtige Gehen gerichtet.
Bums, da lag ich! Durch den Wiesenabhang zog sich eine tiefe Rinne, über die ich gefallen war. Aber ich hatte mir nichts getan, schon stand ich wieder auf den Beinen. Doch wo war meine Handtasche geblieben? Ich trug sie in der linken Hand, in der ich wegen der teilweisen Lähmung kein rechtes Gefühl hatte. In der Handtasche waren die einzigen Photos von Euch, die ich besaß, je eins von Dir und den Kindern, ein teurer Besitz, den ich nicht missen wollte! Auch ein Armband aus Gold, der Füllfederhalter, den ich
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