zuerst wohl noch durch ein Dorf, wie vereinzeltes Hunde­gebell, gelegentliches kurzes Muhen der Kühe aus den Ställen anzeigten. Dann hörten diese Geräusche auf, eine ungeheure Stille senkte sich auf uns herab, ich hörte nur dumpf die Schritte des Mannes vor mir. Mir kam vor, als gingen wir endlos, ich hatte alles Gefühl für Zeitablauf verloren. Endlich schienen wir uns wieder einem Dorf zu nähern, menschliche Stimmen erklangen dumpf und ver­sanken wieder. Wir schritten weiter. Plötzlich durchzuckte mich ein furchtbarer Schreck. Ich hatte den Mann verloren, ich sah und hörte ihn nicht mehr. Was tun? Mein Herz schlug wie ein Hammer, es übertönte alle anderen Ge­räusche. Ich blieb stehen. Wie lange? Ich weiß es nicht, ich weiß nur, daß in dieser Zeit mein ganzes Leben an mir vorüberzog, in weiter Ferne die glücklichen Jahre unseres Zusammenseins, näher schon die Zeit der Trennung mit allem Schweren, dem unermeßlich scheinenden Meer von Leid und wie leuchtende Inseln darin das menschlich Schöne und Erhebende!

Aber narrte mich ein Spuk, ein Irrlicht, oder kam der Leuchtpunkt der Zigarre in der Hand des Mannes mir wirklich näher? Ja, er war's. Da war er neben mir, flüsternd hörte ich ihn sagen: ,, Der Dritte ist nicht ge­kommen. Fassen Sie meine Hand, wir müssen von der Straße fort." Stumm nahm ich seine Hand. Ich fühlte, daß wir nun auf einer Wiese gingen. Wir standen still. ,, Hier ist ein Stacheldraht", flüsterte er ,,, fühlen Sie ihn?" Er führte meine Hand vorsichtig heran. ,, Ja", antwortete ich. ,, Steigen Sie hinüber, ich halte Sie", kam sein Befehl. Ich gehorchte. Jetzt standen wir auf der anderen Seite des Stacheldrahtes. ,, Hören Sie unten den Bach?" fragte er von neuem. Ich bejahte. ,, Wir sind auf einem Hang, der dem Bach parallel verläuft. Gehen Sie möglichst auf gleicher Höhe weiter, das Rauschen des Baches gibt Ihnen die Richtung an", er hob den Arm mit der glimmenden Zigarre. ,, Drüben liegt eine Strecke bachaufwärts das deutsche Zollhaus, auf dieser

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