Wiedergabe zu hören, die ja verständlich gewesen wäre, erlebte eine große Ueberraschung. Es war eine erstaunliche Leistung, nur zu erklären mit der Hingabe und dem Einsatz der Kräfte jedes einzelnen. Alles war bis ins kleinste ge­probt und studiert, bis es vollkommen war. Und die Schön­heit des Werks fand den gebührenden Rahmen in dem wunderbaren Raum des Münsters, das der Erzbischof be­reitwillig zur Verfügung gestellt hatte. Waren das dieselben deutschen jungen Menschen, die als fanatische National­sozialisten die schrecklichen Grausamkeiten in den besetz­ten Gebieten verübten, von denen wir durch die auslän­dischen Sender hörten? Nein, wohl nicht dieselben; wir wußten aus Berichten eines Studenten, des Sohnes eines Freundes vom Wackes, daß hier, wie z. B. in München , eine zahlenmäßig starke Opposition gegen das herrschende Regime unter der Studentenschaft bestand. In München hatte sie offen zu opponieren gewagt und war sofort blutig unterdrückt worden. Aber man hatte sie trotz aller Ter­rormaßnahmen nicht ausrotten können. In dieser Auffüh­rung meinte ich sie zu hören: aus den Rhythmen der be­gleitenden Instrumente, aus den Chorfugen erhob sich die Stimme der geknechteten Gottheit, die trotz allem den Sieg davontrug, der geschändeten Menschlichkeit, die schließ­lich triumphierte, und sie weckte in den andächtig Lau­schenden neuen Mut, gab ihnen neue Kraft auszuhalten bis zum ersehnten Ende der Tyrannei, das ja einmal kommen muẞ!

Schaffhausen / Schweiz , den 24. April 1944

Ich lese die letzten Sätze, die ich im Februar geschrieben habe. Ja, für mich ist das Ende der Knechtschaft nun da; doch noch ist mir alles wie ein Traum, aus dem ich zu erwachen fürchte! Aber ich will Dir von allen Ereig­

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