rationierten Lebensmitteln im freien Handel zu kaufen. Schwarzhandel kommt nicht in Frage, weil Geld oder gar Tauschmittel ebenso wie die Beziehungen zu den Quellen fehlen, die hier in der kleineren Stadt weniger vorhanden sind als etwa in Berlin . So gibt es jeden Abend zwischen Lotte und mir eine lange Beratung darüber, was ich zum nächsten Mittag kochen soll. Es machen sich auch körper­liche Schäden bemerkbar, die durch den Fettmangel und das schlechte, schwer verdauliche Brot zu erklären sind. Viele Menschen, auch Lotte, haben Magen- und Darm­leiden, und bei mir zeigt sich neuerdings ein Nesselfieber­ausschlag, der in den Nächten am schlimmsten ist und we­gen des Juckreizes den ohnehin spärlichen und unruhigen Schlaf verscheucht. Von ähnlichen Beschwerden hört man überall.

Trotzdem haben wir versucht, Weihnachten richtig zu feiern. Für Rolf waren alle Vorbereitungen, die ich dazu traf, etwas Neues. Vater und Mutter waren seit vielen Jah­ren so überlastet mit Berufsarbeit, daß diese Seite des Fa­milienlebens notwendig zu kurz kommen mußte. Nun machte es mir Freude, mit ihm für alle Nahestehenden kleine Geschenke zu erdenken und selbst herzustellen. Das war gar nicht leicht, denn es gibt fast nichts zu kaufen, und wenn das eine oder andere Geschäft wirklich etwas hatte, war es im Nu fort. Rolf machte sich ein Vergnügen daraus, alle ihm bekannten Läden fast täglich aufzusuchen, um ja nicht den Augenblick zu verpassen, wenn es etwas gab. Und hin und wieder hatte er Glück. So trieb er in einigen Buchläden eine Reihe kleiner für die Soldaten be­stimmter Heftchen mit Novellen oder Aufsätzen bekannter Schriftsteller auf. In dem Papiergeschäft, in dem er seine Schulhefte kauft auch sie sind rationiert, ein neues gibt es nur, wenn die Schule die Notwendigkeit der Anschaffung bescheinigt, und das Papier ist so schlecht, daß beim Schrei­ben die Tinte verläuft! fand er ein paar kleine Radie­rungen von Freiburg und in einem dritten Laden einfache

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