Berlin , den 24. Mai 1943

Es hat sich gezeigt, wie wichtig ein Notquartier für alle Fälle ist! Ich sitze auf dem Balkon der Wohnung alter Freunde, wohin ich heute früh nach telephonischer Anmel­dung durch Eva Merkel übersiedelte. Doch ich will der Reihe nach erzählen.

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Am 19. Mai, einem Mittwoch, ging ich klopfenden Her­zens auf das Postamt. Du kennst das große Gebäude am Tempelhofer Ufer, nahe beim Halleschen Tor. In dem mir bezeichneten Zimmer saß eine Beamtin und fragte nach meinem Begehr. Ich bat um Ausstellung eines Postaus­weises und nannte den Namen unserer Briefträgerin, die bestätigen könnte, daß ich die Betreffende wirklich sei. Frau N. N. wurde telephonisch gerufen, erschien sofort, begrüßte mich freundlich wie eine alte gute Bekannte, und erklärte, sie wisse, daß ich Martha Schröder, wohnhaft X- Straße Nummer... sei. Die Beamtin nickte, die Briefträ­gerin verschwand. Ich gab meine neu angefertigten Licht­bilder, eines wurde auf den Ausweis aufgeklebt, meine Per­sonalien aufgeschrieben, die Stempelmarke mit dem Bild des Führers unter mein Photo geklebt und das ganze mir zur Unterschrift vorgelegt. Kühn schrieb ich ,, Martha Schröder" hin. Das ganze kostete 50 Pfennig und das Porto für einen eingeschriebenen Brief, in welchem mir der Aus­weis durch die Post etwa übermorgen weil noch eine Unterschrift eines höheren Beamten fehle

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zugesandt

werde. Damit war ich entlassen. Immer noch konnte ich nicht an mein Glück glauben.

Aber pünktlich am Freitag überreichte mir die Brief­trägerin mit der übrigen Post den eingeschriebenen Brief, der den Ausweis enthielt. Ich dankte für ihre Freundlich­keit und Hilfe sie ahnte glücklicherweise nicht, wie groß diese gewesen war!! und gab ihr für ihre Mühe ein kleines Extratrinkgeld, das sie erst als nicht nötig abwehrte, dann aber dankend annahm.

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17 Behrend, Ich stand nicht allein

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