benen Brief, bei dessen Empfang sich leicht ein bißchen plaudern ließ. Ich bedauerte die Beamtin, die an diesem Tag eine besonders schwere Posttasche zu tragen hatte. Sie meinte, man freue sich ordentlich, wenn wirklich einmal jemand Verständnis für ihre nicht leichte Arbeit habe und dies auch äußere. Die meisten nähmen nur kurz ihre Post entgegen und schlügen dann schnell die Haustüre wieder zu.„Aber Sie sind auch noch nicht lange hier“, sagte sie schließlich. Das war mir gerade recht.„Nein, ich bin erst vor kurzem von der Rathausstraße“— so lautete die Adresse auf meiner Kleiderkarte—„hierhergezogen. Und ich habe meinen Arbeitsurlaub zum Umzug benutzt. Jetzt habe ich noch zehn Tage zum Eingewöhnen hier, ehe ich wieder im Betrieb anfangen muß.“„Da wünsche ich Ihnen noch gute Erholung“, nickte sie grüßend und lief weiter.
Gestern, nach weiteren sechs Tagen, bekam ich den zweiten Einschreibebrief von Eva Merkel, und nun verlief meine Unterhaltung mit der Briefträgerin ganz programm- gemäß. Gewiß, es wäre das beste, wenn ich mir einen: Post- ausweis ausstellen ließe, ich benötigte dazu nur eine Ge- burtsurkunde.„Aber die habe ich nicht“, entgegnete ich ihr,„und ich kann sie mir auch nicht so bald verschaffen. Ich stamme aus Essen im Rheinland, das dortige Polizei- amt ist völlig ausgebombt, es wird lange dauern, bis die Ur- kunden wieder ergänzt und verfügbar sind.“„Das braucht Ihnen keine Sorgen zu machen“, tröstete sie freundlich, „auf die Geburtsurkunde kann verzichtet werden, wenn der Briefträger die betreffende Person kennt und sie ausweist. Morgen geht es schlecht, da habe ich meinen freien Tag, aber wenn Sie übermorgen um elf Uhr vormittags aufs Postamt, Zimmer Nummer X kommen, bin ich da. Sagen Sie dem Beamten, die Briefträgerin Frau N. N. könne Sie ausweisen, dann werde ich gerufen.“ Ich dankte ihr sehr für ihre Freundlichkeit. Morgen gehe ich um.elf Uhr zum Postamt. Ich kann aber immer noch nicht glauben, daß ich wirklich den so ersehnten Ausweis erhalten soll.
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