Ich hatte wirklich einen gültigen, guten Ausweis! Ob er mir das Tor in die Freiheit öffnen würde? Ich hatte das Gefühl, ihr wesentlich näher gekommen zu sein. Die ganze Familie teilte meine Freude, mein Postausweis ging von Hand zu Hand und wurde gebührend bewundert. Lene schrieb auf meinen Wunsch sofort an die Freiburger, daß ich in etwa einer Woche zu ihnen kommen würde. Alle Vorbedingungen seien nun erfüllt, der genaue Ankunfts­termin würde ihnen noch mitgeteilt.

Doch ehe ich reiste, wollte ich unbedingt noch einmal zu Onkel Karl und der ,, Familie ", die wie bei meinem Fort­gehen von ihnen, aus Lotte, Herbert und Evchen bestand. Ich wußte, daß Lotte immer noch auf die Fertigstellung ihrer Kennkarte wartete, und daß sie recht pessimistisch in bezug auf ihre spätere Verwendbarkeit war. Ich wollte unbedingt mit Lotte besprechen, ob nicht auch für sie ein Postausweis besorgt werden könnte. Die Verhältnisse dort hatten sich inzwischen verschärft. Die häufigen Alarme hatten die Portiersfrau bewogen, von Onkel Karl den Woh­nungsschlüssel für die Zeit seiner Abwesenheit zu verlan­gen. Wenn nun die Sirene erklang, mußte ,, die Familie" sofort und möglichst ohne gesehen zu werden verschwinden, um nicht von der Portiersfrau auf ihrem Rundgang dort angetroffen zu werden. Zwar war bis jetzt alles gut ge­gangen, Onkel Karl hatte auch sonst Sicherungen getroffen. Eine seiner Angestellten, die unbedingt zuverlässig war, hatte er ins Vertrauen gezogen. Ein Betriebsausweis auf ihren Namen mit Evchens Bild wurde angefertigt, für Her­bert ein ebensolcher mit Namen und Adresse eines seiner Arbeiter hergestellt. Evchen hieß Hildegard Müller, Her­bert Walter Krüger. Wenn nun Lotte noch einen Postaus­weis bekam, war die schlimmste Gefahr abgewendet. Denn daß Onkel Karl schon immer in großzügiger Weise gast­freundlich war, daß auch seine Arbeiter und Angestellten zu ihm in einem patriarchalischen Verhältnis standen und außerhalb der Arbeitszeit in seiner Wohnung verkehrten,

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