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tungsvoller Funktion tätig, zu der sie sowohl durch ihre Vorbildung sie ist Dr. rer. pol.- wie durch Sprachkenntnisse und Klugheit alle Bedingungen erfüllte. Sie hat dann in den letzten Jahren bei Bekannten, die einen kleinen derartigen Betrieb hatten, das Nähen von Stepp- und Daunendecken gelernt und darin eine große Fertigkeit erlangt. Sie wurde durch die Nachricht ihres bevorstehenden Abtransports alarmiert und wandte sich um Rat und Hilfe an Onkel Karl, den sie durch eine gemeinsame, jetzt in Amerika befindliche Freundin seit vielen Jahren kennt. Er bot ihr sofort seine Wohnung als Unterschlupf an.
Die beiden anderen sind ein junges Ehepaar. Herbert, etwa dreißigjährig, stammt aus Jena , wo er bei Zeiß als Optiker ausgebildet und später angestellt war, so lange die Firma Juden beschäftigen konnte. Dann wandte man sich an Onkel Karl, mit dem Zeiß in geschäftlicher Verbindung steht, und fragte an, ob er Herbert bei sich beschäftigen könnte, was Onkel Karl bejahte. Er blieb bei ihm, bis auch in Berlin die letzten Juden aus den privaten Betrieben geholt wurden. Onkel Karl schätzt Herbert als Optiker wie als Menschen und hat auch nach seiner Entlassung ständige Fühlung mit ihm und seiner jungen Frau aufrechterhalten.
Sie heißt Evchen, dreiundzwanzigjährig, reizend anzusehen, sprühend lebhaft, immer guter Laune, durch ihre Heiterkeit auch die übrigen mitfortreißend. Herbert bildet den ruhigen Hintergrund zu ihrer quecksilbrig- übermütigen Art. Wenn Lotte mit ihrem trockenen Humor etwas zum besten gibt und Susi ihr helles Lachen ertönen läßt, Onkel Karl, den das Ehepaar Papa nennt, behaglich schmunzelnd einen nach dem anderen an seiner Tafelrunde ansieht, müßte ein fremder, unbefangener Zuschauer uns für eine glückliche und zufriedene Gemeinschaft halten! Dabei ist sich Evchen über das Gefahrvolle unserer und speziell ihrer beider Situation durchaus klar, von Lotte ganz zu schweigen. Aber sie wissen, daß mit Klagen und Grübeln nichts geändert oder gar gebessert werden kann, und die plötzliche
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