ten keine große Hoffnung auf diesen Plan. Trotzdem ging ich an diesem Abend leichteren Herzens schlafen als seit vielen Wochen.

Am Sonntagmittag, als Eva fortgegangen war, um aus­wärts zu essen, worauf sie durchaus bestand, kam der Aus­bruch von Gustav, den ich eigentlich schon längst erwartet und gefürchtet hatte. Er sagte mir, er könne nicht mehr schlafen vor Unruhe, ich müsse schleunigst aus dem Hause. Ich erwiderte ihm, daß ich alles dazu tun wolle, was mir möglich sei. Eva werde an diesem Nachmittag noch Schritte dafür unternehmen. Ich bat ihn, nochmals seinen Bekannten um die beschleunigte Fertigstellung der Kennkarte von Leonie Maier zu bitten. Die Gefahr für alle, die mich auf­nehmen würden, sei erheblich größer, wenn ich keinen Aus­weis besäße. Er versprach mir, sich darum zu kümmern, erklärte aber sehr bestimmt, es könne keine Rede davon sein, bei ihnen zu bleiben, bis ich den Ausweis in Händen habe. Ebenso wie sie müßten jetzt auch andere dies Risiko tragen.

Ich berichtete Eva sofort nach ihrer Rückkehr von diesem Gespräch. Sie machte sich gleich auf den Weg zu Maria und Irma. Sie wollte, wenn die beiden irgendeine Möglich­keit wüßten, mich kommen lassen, falls sie damit einver­standen wären. Bei diesem einen Male würde mich dort im Hause, in dem wir vor vielen Jahren so häufig ein- und ausgegangen waren, niemand erkennen, zumal ich mich sehr verändert hatte. Von meiner früheren Rundlichkeit war nichts mehr vorhanden, ich war sehr mager geworden.

Eva war gegen halb zwei Uhr aufgebrochen, um halb vier Uhr ließ sie mir durch Erna bestellen, ich solle kommen.-

Es war ein eigenartiges Gefühl, nach so langer Zeit wieder an der Luft und unter Menschen zu sein! Bei dem letzten Male war es Sommer, Mitte August, jetzt waren die Bäume kahl, und die Luft war winterlich kalt. Aber sie tat mir wohl, ich sog sie in tiefen Zügen ein. Vor der hell er­leuchteten Untergrundbahn hatte ich eine begreifliche

15 Behrend, Ich stand nicht allein

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