seine Besorgnis so gesteigert hat. In den ersten vierzehn Tagen meines Hierseins hatte ich sie sehr begreiflich gefunden. Damals wußten wir noch nicht, ob man seitens der Partei oder der Gestapo von München aus nach mir forschen würde. Immer erwartete ich auf Umwegen von Tilla zu hören, daß man im Isartal nach mir gefragt oder eine Haussuchung bei ihr und den Nachbarn vorgenommen hätte. Aber nichts dergleichen geschah. Auch Frau Dr. Weiß ließ mir berichten, sie habe den Eindruck gehabt, man rechne mich nicht mehr unter die Lebenden. Doch eine solche Angst ist wohl einfache Nervensache, und ich merkte gut, daß Gustav und Erna sehr nervös waren. Ich bin mir wohl bewußt, wie sehr ich beiden zu Dank verpflichtet bin, und es drückt mich mehr, als ich sagen kann, daß es mir nicht gelang, meinen Dank in irgendeiner Form zum Ausdruck zu bringen. Ich mußte sie also so schnell wie möglich von meiner Gegenwart befreien.
Am Samstag, dem 5. Dezember, abends kam Eva. Ich kann Dir nicht mit Worten begreiflich machen, was dieser Besuch mir bedeutete! Sie ist neben Tilla in den letzten Jahren der Mensch gewesen, der mir am nächsten verbunden war, an den ich mich nie vergeblich gewandt habe. Diese beiden hatten alles miterlebt und mitempfunden, was mich bedrückte und was mich erhob, es gab nichts, woran sie keinen Anteil hatten! Und wie wohl tat es, nun wieder Eva gegenüberzusitzen und alles auszusprechen, was ich in den letzten Monaten erfahren und gedacht, und vor allem, was mich nun so stark belastete, daß ich fast meinte, es nimmer ertragen zu können. Eva war der gleichen Meinung wie ich, daß ich so schnell wie möglich fort müßte, aber wohin? Ich schlug vor, daß sie am Sonntag zu Maria und Irma fahren und alles mit ihnen besprechen solle. Sie in ihrem ausgedehnten Freundes- und Bekanntenkreis würden vielleicht jemanden wissen, der bereit wäre, mich aufzunehmen. Eva kannte die beiden flüchtig und wollte gern die Angelegenheit mit ihnen bereden. Aber sie wie ich setz
224


