Stellung als Leiterin der Heimanlage enthoben würde. Das Barackenlager sei leer, fast alle Insassen seien deportiert. Der kleine Rest, lauter Männer aus Mischehen, die nicht für die Deportation in Frage kommen, käme nach Berg a. L., mit ihnen der Leiter von Milbertshofen , gleichfalls in einer Mischehe lebend und also geschützt, der nun die Heim­anlage leiten werde. Das bedeutet für mich: bei der näch­sten Deportation, die nach Polen geht, bin ich dabei!

Die letzten Tage im Heim waren auch sonst entsetzlich gewesen. Die Selbstmorde häuften sich, durch die ständigen Deportationen blieben immer weniger Menschen, die die notwendige Arbeit verrichten konnten. Ich fand kaum mehr einige Stunden Ruhe in der Nacht und fühlte doch, daß ich nun wirklich am Rande meiner Kräfte angelangt war. Bei der letzten Deportation war auch der Professor ge­

wesen.

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Und nun sitze ich hier in dem freundlichen Zimmer, bei weit geöffnetem Fenster und sehe in den blühenden schönen Garten hinaus! Aber in mir ist es nicht ruhig, meine Ge­danken gehen hin und her. Was soll ich tun? Gleich nach­dem mir Schroth verkündete, daß man mir die Leitung des Heims abnehmen würde, schoß es in mir hoch: Nun kannst du ruhigen Gewissens fliehen! Frau Dr. Weiß be­schwört mich, es zu tun. Sie hat Tilla von meinem Hier­sein benachrichtigt, und vorgestern kam sie her. Zaghaft sagte ich ihr, was mich beschäftigte. Sie bot sofort ihre Hilfe an. Wir haben dann lange zu dritt darüber gespro­chen, wie man die Flucht am besten vorbereiten und be­werkstelligen könnte. Erst hatten wir vor, mich bei einer Bekannten in München zu verstecken, aber dann verwarfen wir diesen Plan wieder. ,, Ja, wenn du doch gleich über die Grenze in die Schweiz könntest!", seufzte Tilla. ,, Das möchte ich auch am liebsten", sagte ich. ,, Halt, mir fällt etwas ein", warf Tilla plötzlich erregt in die Pause, die entstanden war. ,, Ich fahre morgen früh zu deiner Freun­din Eva, die ihre Ferien am Bodensee verlebt, und versuche

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