darauf kamen beide Männer zurück. Ich sagte kurz, was mir Hermann, unser Hausmeister, berichtet hatte. Der Hauptlehrer schrak im Moment zusammen, faßte sich aber schnell und sagte mit einem tiefen Aufatmen: ,, Wir mußten ja damit rechnen, daß es eines Tages kommen würde; ob früher oder später, spielt eigentlich keine Rolle. Gut, daß wir alle zusammen gehen." Wir beschlossen, vor den In­sassen zu schweigen, bis die schriftliche Mitteilung da wäre. Dann ging jeder in sein Zimmer. Ich atmete erleichtert auf, daß ich oben bei mir meine beiden Zimmergenossinnen schlafend fand. Es wäre mir schwer gewesen, wenn ich not­gedrungen mit ihnen über mehr oder weniger Belangloses hätte reden müssen. So setzte ich mich still an meinen Schreibtisch mit der abgeblendeten Lampe und versuchte, in mir selbst ruhig, und klar zu werden. Am schlimmsten traf mich, daß jede Verbindung mit Dir und den Kindern nun völlig unmöglich wurde. Zwar waren auch jetzt die Nachrichten, die unsere Schwägerin aus Lissabon so treu­lich an Dich und mich schickte, spärlich und selten genug, aber es bestand doch eine gewisse Verbindung, um die wir beide froh waren. Nun mußte ich ihr vor dem Transport ins Sammellager schreiben, daß ich eine größere Reise an­treten würde und keine Adresse angeben könnte. Und was würde aus dem Heim werden? Das Heim war mir ans Herz gewachsen, das hatte ich vorher nie so stark gefühlt wie jetzt, da wir drei von der Leitung es verlassen sollten. Aber es lohnte sich nicht, diesen Gedanken nachzuhängen. Schnell ins Bett, um wenigstens zu ruhen, mit dem Schlafen würde es nicht viel werden, aber die Ruhe war notwendig, es kamen wieder schwere Tage in jeder Beziehung, denen ich unbedingt gewachsen sein mußte.

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Erst am Sonntagnachmittag kamen die sogenannten Eva­kuierungsbriefe. Das Verteilen wurde uns diesmal leichter dadurch, daß wir sagen konnten: ,, Wir gehen mit euch, und es fällt uns nicht einmal so schwer, weil wir fest glauben, daß allmählich alle Juden aus München und dem

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