Zimmergenossinnen habe ich schon getroffen. Die eine, Frau Dillenius, eine feine stille Frau, verwitwet, ist mir schon seit ihrem Einzug ins Heim besonders angenehm; die zweite, Frau Altschüler, frisch, klug und temperamentvoll, Frau eines Heidelberger Bankdirektors, der, schwer kriegsbeschädigt, nur mühsam an zwei Stöcken gehen kann. Er ist mit dem Professor in einem Zimmer untergebracht und hat sich mit ihm schnell angefreundet. Auch seine Frau steht ihm nahe. Sie hatten, nachdem Herr Altschüler seine Stellung aufgeben mußte, in Oberbayern in der Nähe des Walchensees ein Landhaus gemietet und wurden erst im November von der Partei herausgeholt. Als dritte kommt Frau Schönberg zu mir, die, eines Herzleidens wegen, zur Zeit in unserem Krankenhause ist. Ihr Mann, siebzigjährig, ist der Erbauer des ,, Deutschen Museums" in München , jetzt in einer Zementfabrik beschäftigt, allerdings im Büro, wo man ihn Pläne zeichnen läßt. Er ist ein kleiner, unendlich stiller und bescheidener Mann, der sich in alles fügt, wie überhaupt sehr häufig die Menschen es uns am leichtesten machen, die früher hohe Stellungen bekleideten und etwas Besonderes leisteten. Es soll nun nicht so aussehen, als hätten wir nur ausgezeichnete stille und feine Leute hier. O nein, auch hier, wie in jeder größeren Gemeinschaft, gibt es unangenehme Menschen, Nörgler und Unzufriedene, die sich an allem ärgern und sich und den eng mit ihnen wohnenden Nachbarn das Leben gehörig schwer machen. Wir haben viel Mühe bei Männern wie bei Frauen, Klatschereien energisch zu bekämpfen, Streitigkeiten zu schlichten, Tobende zu beruhigen. Aber da über uns allen das Damoklesschwert der Strafversetzung in die Barackenstadt oder schlimmerer Strafen durch die Partei hängt, nehmen sich die meisten nach solchen Ausbrüchen schnell wieder zusammen. Jedenfalls lohnt es sich meiner Meinung nach nicht, ausführlich über solche Vorkommnisse und jene, die sie verursachen, zu berichten.
151


