Berg a. Laim, Sonntag, den 12. April 1942

Lange, lange habe ich mein Tagebuch nicht mehr geöffnet, aber es gab zuviel zu tun. Abel fehlte uns sehr mit seinem praktischen Sinn und seinen geschickten Händen, die kleine Schäden schnell wieder in Ordnung brachten. Ebensosehr fehlte mir, mehr als den anderen, Gertrud Lind, der ich die Küche ganz selbständig überlassen hatte. Und von keinem von allen, die deportiert wurden, ist je wieder eine Nach­richt gekommen! Statt Gertruds wurde mir ein neun­zehnjähriger Junge geschickt, Siegbert, der bis dahin im Altersheim von Frau Tuchmann gearbeitet hatte. Er ist für sein Alter tüchtig und zuverlässig, aber ich muß mich doch sehr viel mehr um alles kümmern, wenn auch Frau Nehm neben ihm arbeitet und das Kochen leitet.

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Aber es lohnt sich nicht, all das ausführlich aufzuschrei­ben. Ich will es nur kurz erwähnen, es gibt Wichtigeres. zu berichten.

Schon in der letzten Märzwoche ging unter unseren Heiminsassen das Gerücht von einer neuen Deportation um. Wieder schwirrte es im Heim wie in einem aufgestörten Bienenkorb von allerlei Mutmaßungen über Umfang und Ziel der gefürchteten Aktion. Am Samstag, dem 28. März, war, wie fast jeden Samstagnachmittag, eins unserer Vor­standsmitglieder zum Besuch seiner alten Mutter im Heim. Ich fragte ihn, ob eine neue Deportation geplant sei. Er bejahte, sagte mir aber, daß weder ihm noch sonst einem Vorstandsmitglieder etwas Genaues bekannt sei. Auch die Liste der Abzutransportierenden sei ihnen noch nicht vor­gelegt worden. Sie erwarteten sie aber noch heute. Ziemlich spät am Abend klopfte unser Hausmeister an meine Zim­mertür, er müsse mich kurz sprechen. Er ist mit einer ,, Arierin" verheiratet und hat sieben Kinder, die im katho­lischen Glauben der Frau erzogen werden. Er ist ein Ori­ginal, eine unermüdliche Arbeitskraft, ein kleiner rund­licher Mann mit einem breiten, fröhlichen Gesicht, stets

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