druck, daß man nun das ,, Judenpack" erkennt. Aber wir erlebten und erleben auch viele Aeußerungen der Abscheu über diese Maßnahme und viele Sympathiekundgebungen für uns davon Betroffene. Am schlimmsten ist es für die Schulkinder, die vom sechsten Jahre ab den Stern tragen müssen. Zwei etwa siebenjährige Buben wurden von gleich­altrigen ,, Ariern" jämmerlich verprügelt. Bei einem legte sich allerdings ein des Weges kommender älterer Herr ins Mittel, der die Buben mit Schimpfworten auseinanderjagte und das weinende kleine Opfer bis an seine Haustür be­gleitete. Einer älteren Frau aus unserem Heim schenkte ein Soldat die Marken für eine wöchentliche Brotration, einer anderen, die zur Arbeit in der Tram fuhr und keinen Platz fand, bot ein Herr mit tiefer Verbeugung ostentativ seinen Sitzplatz an. Mir erklärten unser Metzger und unser But­terlieferant, daß sie uns nun erst recht gut beliefern wür­den; sie schimpften kräftig auf diese neue Demütigung, die uns angetan wird. Wieder sieht man die jüdischen Men­schen mit steinernen Gesichtern durch die Straßen gehen, mit Augen, die durch alles und alle hindurchzusehen schei­nen, viele mit gesenktem Kopf, manche aber auch, und dazu gehöre ich, mit stolz erhobenem Haupte. Mir scheint, daß jedenfalls in München die jetzigen Machthaber mit dieser Verfügung nicht erreichen werden, was sie bezwecken: die vollkommene Verfemung der Juden durch die Menge des Volkes. Doch kann man nach drei Tagen darüber noch kein endgültiges Urteil abgeben.

Berg a. Laim, Sonntag, den 26. Oktober 1941

Ich überlas die letzten Zeilen, die ich das letzte Mal ge­schrieben habe, und kann hinzufügen, daß ich recht behalten habe. Die Bevölkerung tut, als sähe sie die Sterne nicht.

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