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Gestapo protegiert, zu intervenieren versuchen, ja, ich fürchte, wir machen damit die Sache noch schlimmer für Sie. Wir müssen abwarten, was das Arbeitsamt auf Grund dieses Briefes beschließen wird." Obwohl ich pünktlich zur angegebenen Zeit beim Arbeitsamt war, mußte ich wegen der vielen Frauen, die alle mit Briefen aus der Widenmayer­straße warteten, noch lange Geduld haben, ehe ich zu einer Beamtin gewiesen wurde. Sie öffnete den Brief und sagte sofort: ,, Womit haben Sie den Stellvertreter des Gauleiters denn so erzürnt?" Ich antwortete, daß es nur mein Wohnen im Vorort sein könne, das ja niemals verboten gewesen war. Sie erwiderte: ,, Wahrscheinlich haben Sie recht. Hier steht: Der Jüdin Behrend ist mitzuteilen, daß sie sofort in jüdischen Wohnraum der Stadt München zu ziehen hat. Außerdem ist sie unverzüglich zur Arbeit in die Flachs­fabrik Lohhof einzuweisen. Dagegen ist nichts zu machen." Ich stellte ihr vor, daß ich mir erst eine Schlaf­stelle in der Stadt suchen, mein Quartier im Isartal auf­geben und meine Sachen packen müsse. Ob sie mir dazu nicht ein paar Tage Zeit geben könne. Sie nickte: ,, Ich sehe ein, daß Sie eine Frist brauchen. Aber am 1. Juli müs­sen Sie morgens pünktlich zur Arbeit antreten. Kommen Sie übermorgen wieder und holen Sie sich Ihren Einweisungs­schein." Ich dankte ihr für ihr Entgegenkommen und ging.

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Natürlich weiß ich von Lohhof; doch hat man bisher nur junge Mädchen und jüngere Frauen dorthin zur Arbeit ge­schickt. Die Arbeit in den Fabrikräumen in Lohhof gilt für ziemlich schwer, und auch die Arbeit auf dem Feld, den ganzen Tag in der prallen Sonne, ist ziemlich berüchtigt. Hinzu kommt der weite Weg. Lohhof ist die Eisenbahn­station hinter Schleißheim, man muß mit der Bahn und zu Fuß eineinviertel bis anderthalb Stunden Weg hin und ebenso viel zurück rechnen.

Im Büro schlug mir der zweite Vorsitzende vor, mich wegen meines durch eine Geburtslähmung verkürzten und

8 Behrend, Ich stand nicht allein

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