Ich bat sie, ihn zu öffnen und mir vorzulesen. Die Zusage des Visums wurde darin zurückgenommen, da neue Wei­sungen aus Argentinien eingetroffen seien. Ich fuhr aufs höchste betroffen hin, erfuhr durch die Sekretärin aber nur, daß briefliche Nachrichten über die materielle Lage meiner Verwandten eingeholt und abgewartet werden müß­ten. Ich kabelte meiner Schwester Käthe sofort diese Wen­dung der Dinge nach Buenos Aires . Noch hoffe ich, daß es sich wirklich nur um einen Aufschub handelt. Die ver­langten Auskünfte müssen ja gut ausfallen- dann liegt kein Grund vor, mir das Visum zu verweigern. Aber manchmal packt mich jetzt der Argwohn, daß der Konsul -wir beide wissen ja, was für einen wenig guten Ruf er hat! antisemitisch eingestellt ist und aus diesem Grunde alles tut, um die Erteilung des Visums zu verzögern oder zu verhindern. Daß wir jüdischen Menschen auf einer Reihe ausländischer Konsulate im Reich gleichfalls wie Pa­rias behandelt werden, ist leider keine Ausnahmeerfahrung. Aber noch gebe ich die Hoffnung nicht auf!

Isartal, Samstag, den 28. Juni 1941

Die Ereignisse überstürzen sich!-

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Die Baracken in Mil­ bertshofen sind fertig, Pritschen immer zwei überein­ander in ihnen aufgestellt, ebenso Militärschränke. Waschräume, Küche, Kantine und Eẞräume sind fertig ein­gerichtet, die ersten Leute, zunächst alleinstehende Männer, bereits eingewiesen. Im ganzen können etwa achthundert Menschen dort untergebracht werden.

Am 21. Juni, also letzten Samstag, erhielt ich eine kurze Aufforderung, am Montag, dem 23., morgens um acht Uhr, zum Stellvertreter des Gauleiters, dem Hauptsturmführer Wegner, in die Widenmayerstraße zu kommen. Charak­

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