ständlich war für eine solche Menge von Menschen nichts vorbereitet, weder die Unterkunftsmöglichkeiten noch die Lebensmittel reichten nur entfernt dafür aus. Das beweisen die Briefe, die wir direkt bekommen haben, und in denen um Lebensmittel dringend gebeten wird. Die meisten Briefe betonen ausdrücklich die menschlich freundliche Haltung der Franzosen gegenüber den Deportierten. Wir haben sofort mit Schicken von Päckchen begonnen und vor allem alle Leute, bei denen schon früher Evakuierte untergebracht waren, privat dazu aufgefordert. Auch die Mannheimer Freundin hat viele Bekannte mobilisiert und schickt selbst, so viel sie kann.
Die Reichsvereinigung hatte allen jüdischen Gemeinden in Deutschland im Gedenken an diesen furchtbaren neuen Schlag einen bestimmten Tag vorgeschlagen, an dem alle Gemeindeglieder fasten sollten. Dieser Anregung sind wir gern gefolgt. Doch teilte uns Herr Rat gestern zu unserem Schrecken mit, daß man den Ministerialrat Hirsch, den man als den Urheber dieser Anregung in der Reichsvereinigung ansah, verhaftet und in ein Konzentrationslager gebracht habe! Eine solche Anregung sei als Sabotage der behördlichen Verfügung zu betrachten!
Wir schicken sowohl nach Polen wie nach Frankreich in fieberhafter Hast; wer weiß, wie lange die Möglichkeit noch besteht! Trotz aller Schwierigkeiten und aller Entbehrungen im Camp de Gurs habe ich den Eindruck, daß die dort Untergebrachten immer noch weniger bedauernswert sind als die in Polen Befindlichen. Die französischen Wachmannschaften behandeln unsere Leute menschlich, sie helfen, wo sie können, das geht aus jedem Brief hervor, während die Not in Polen unter der deutschen Besetzung durch die seelische Belastung noch unendlich vermehrt wird.
Einige Monate später kam die Nachricht seines Todes.
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