gespannten Regenschirm, der ihn vor dem durch das schadhafte Dach tropfenden Regen schützen soll. Frau Bauchwitz schrieb nun, daß sie sich über das Bildchen sehr freue; es wirke allerdings in ihrem Zimmer wie die Abbildung eines Prunkgemaches!!
Aber sie und Frau Fink schreiben auch, daß nach den in den ersten Monaten geradezu ungeheuerlich anmutenden Gewichtsabnahmen, die sich bei ihnen allen zeigten, die meisten von ihnen sich an das unsagbar dürftige und primitive Leben gewöhnt hätten. Die zuerst erschreckend hohe Zahl von Todesfällen und Schwerkranken ist nun sehr erheblich zurückgegangen, wohl kommen noch viele Fälle von Darm- und Magenerkrankungen vor, doch sind sie meist leichterer Natur, wohl auch durch die große Hitze, die jetzt dort herrscht, mit bedingt. Es ist eben doch so: der Mensch gewöhnt sich an sehr vieles und kann im allgemeinen viel mehr aushalten, als man so gemeinhin annimmt!
Isartal, Sonntag, den 27. Oktober 1940
Nun ist das eingetreten, was wir immer gefürchtet hatten,
und was uns doch so unfaßbar und entsetzlich erscheint: Wieder hat eine Deportation stattgefunden! Und diesmal eine viel größere und umfassendere als die erste. Alle Juden aus Baden und der Pfalz , anscheinend auch aus einem. kleinen Teil Württembergs, sind am 22. Oktober deportiert worden, zusammen eine Zahl von fünftausend Menschen! Doch hat man sie nicht nach Polen geschickt, sondern in ein Lager im unbesetzten Frankreich . Näheres wissen wir noch nicht. Auch die elsässischen, also früher zu Frankreich gehörenden Juden, sollen dabei sein. Annemarie erhielt einen ersten erschütternden Bericht von einer Mannheimer Freundin, bei der ich auf meiner Rundreise gewohnt hatte,
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