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und Hosen für Männer und Burschen alt zu kaufen. Unsere Ausbeute war erstaunlich groß neben dem, was wir von pri­vater Seite bekommen. Wir haben lange Listen mit Namen und genauer Beschreibung, Alter und Aussehen. Aber wir werden es bald anders machen. Wir haben in unseren letzten Briefen gebeten, in jedem Ort einige Personen zu wählen, an die wir alles schicken, und die dann die Vertei­lung der Sachen vornehmen. Uns nimmt es erstens viel zu viel Zeit, Päckchen nach den Bedürfnissen einzelner zu­sammenzustellen, dann kann eine solche zentrale Verteilung an Ort und Stelle die Dinge gerechter abgeben, die Bedürf­nisse der Menschen besser beurteilen, als wir das von hier aus vermögen. Es bleibt uns immer noch unbenommen, ein­zelnen zu besonderen Gelegenheiten Sonderpäckchen zu schicken und das dem Verteilungsausschuß mitzuteilen. Wir können so auch die Päckchen besser dosieren, das Ge­wicht richtig ausnutzen und das ist fast das Wichtigste viel schneller arbeiten. Manchmal ergeben sich komische Situationen: Gestern kam Herr Rat in unser Büro und fand mich eifrigst beschäftigt, Emailleteller zu bekritzeln, wäh­rend Emmy K. über jede Hand einen Frauenschuh gezo­gen hatte und energisch mit ihnen auf Sandpapier herum­fuhr, um die neuen Sohlen ,, getragen" aussehen zu machen! Wir konnten uns alle drei des Lachens bei diesem Anblick nicht erwehren! Schwierig wird die Sache, wenn der Kom­missar der Gestapo , der unsere jüdische Gemeinde zu kon­trollieren hat, plötzlich erscheint. Sobald sein Auto in den Hof einfährt, telephoniert der Hausmeister in mein Büro: ,, Es ist Besuch da!" Wie auf ein Zauberwort hin verschwin­den sämtliche Waren, Kleidungsstücke und Schuhe, Medi­kamente und Lebensmittel, Insektenpulver, Bestecke, kleine Spirituskocher, Packpapier, Schnur und Waage im Schrank und in den Schreibtischen. Wenn der Kommissar, ein junger Mensch in den Zwanzigerjahren, unseren Korridor betritt, bin ich bereits dabei, Emmy K. die Liste an die Gestapo oder einen offiziellen Brief in Rückwandererangelegenheiten

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