Briefe von solchen Deportierten, die, halb verzweifelnd, an alle ihnen bekannten Adressen um Päckchen und Geld schreiben. Manche hoffen mit dick aufgetragenen Schmei­cheleien etwas zu erreichen, andere versuchen durch über­triebene Leidensschilderungen für ihre Person oder ihre Familie unser Mitleid besonders zu erregen.

Isartal, Sonntag, den 9. Juni 1940

Die Stöße von Briefen aus Polen häufen sich, und allmäh­lich bekomme ich ein gutes Bild von dem Leben, das unsere Stettiner( ich nenne sie der Einfachheit halber so, es sind auch Stralsunder und solche von anderen Städten darunter) in den kleinen polnischen Orten führen. Wir schicken nun auch Bücher für die Erwachsenen, Lehrmaterial, Hefte, Buntstifte und Spielzeug für die Kinder. Dann aber haben Annemarie und ich uns überlegt, daß es sehr wichtig ist, Männern und Frauen, die nicht voll beschäftigt sind, irgend­welche nutzbringende Arbeit zu verschaffen. Wir haben Muster für selbst anzufertigende Pantoffeln bekommen, leichte für den Sommer und warme für den Winter, und haben ihnen Anleitung und Stoffabschnitte, Garn, Nadeln, Filz und Strohbänder für die Sohlen geschickt. Auch Män­ner können sich an ihrer Herstellung beteiligen. Für sie sandten wir außerdem eine ganze Menge Schnitzmesser und kurze Anweisungen für das Schnitzen aller Art von Löf­feln. Die Frauen bekommen laufend Häkelhaken, Garn, Stricknadeln, Wolle, Schnittmuster und Stoffreste für Kindersachen, selbstverständlich darf auch Stopfgarn nicht fehlen.

In den letzten beiden Wochen sind Emmy K. und ich von einem Münchner Altkleiderhändler zum anderen gezogen, um Sommerkleider für Frauen und Mädchen, leichte Jacken

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