liche Tüten packen, an neuen Kleidungsstücken Flicken oder Stopfen anbringen, Stiefel nie als Paar im gleichen Päckchen schicken, Emailleteller und Tassen verkratzen und mit Bleistiftkritzeleien beschmieren, usw., wird auch kaum noch etwas herausgenommen. Aber wir schicken jetzt auch Geld. Jeder, der einen Paß hat, darf monatlich 10 Reichsmark, d. h. 20 polnische Zlotys, schicken. Wir haben schon eine ganze nette Anzahl Leute zusammen, die bereit sind, Geld auf ihren Paß nach Polen zu senden. Wer nicht dazu in der Lage ist, bekommt das Geld von mir, denn wir sammeln jetzt auch Geld und nehmen erfreulich viel ein. Alle diese Erfahrungen will ich nun in Karlsruhe weitergeben, die Briefe aus Polen mitnehmen und sie lesen lassen.
In Berlin scheint es schwieriger zu sein, in größerer Menge Päckchen nach Polen zu schicken. Hoffentlich gelingt es uns noch recht lange, ungehindert diese geringe Hilfe zu
leisten!
Mich läßt der Inhalt der Briefe aus Polen überhaupt nicht mehr los. Ich weiß selbst sehr genau, daß man sich mit einem primitiven Leben abfinden kann, aber mit einem Leben im Schmutz, eng zusammengepfercht mit Menschen, die diesen Schmutz als selbstverständlich empfinden, und denen jedes Reinlichkeitsbedürfnis fremd, ja verächtlich ist, ohne Hilfsmittel, ohne ein Ende dieses Zustandes absehen zu können, das muß sehr schwer sein. Und doch halten sich die Absenderinnen der Briefe von allen Klagen fern, sie schildern völlig objektiv die Zustände und bitten um Hilfe nicht für sich selbst, sondern für die Alten, die Kranken und die Kinder. Sie bemühen sich, Verständnis zu zeigen für die polnischen Juden, bei denen sie untergebracht wurden, ohne daß man diese erst gefragt hatte, und die die Neuangekommenen als Eindringlinge empfinden. Diese polnischen Juden sehen in ihnen nicht etwa Bedrängte ihrer eigenen Rasse, ihres eigenen Glaubens, sie erscheinen ihnen
selbst die Orthodoxen unter ihnen! als unfromm, als verächtlich, weil fremden, ihnen unverständlichen Sitten
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