und Gebräuchen zugetan. Sie können sich mit ihnen kaum verständigen. Frau Fink bittet um Uebersendung eines pol­nisch- deutschen und eines jiddisch- deutschen Wörterbuches.

Erschreckend ist die Sterblichkeit unter den deportier­ten alten und kranken Leuten, so sind von den hundert in Glusk untergebrachten Alten, ganz abgesehen von denen, die auf dem Transport starben, schon fünfundzwanzig ge­storben, und man muß mit vielen weiteren Todesfällen rechnen, wenn es nicht gelingt, Medikamente und Stär­kungsmittel, nebst Nahrungsmitteln, zu schicken. Man möchte verzweifeln, wenn man sich die Not dieser tausend Menschen vorstellt, die man nur mit Sendungen von Zwei­kilopäckchen lindern kann! Aber es nützt nichts, ungedul­dig zu werden. Du wirst aber verstehen, daß mir im Hin­blick auf dieses Elend jeder Bissen im Munde quillt. Ich weiß, daß es Annemarie ganz genau so geht, daß auch ihre Gedanken sich unaufhörlich mit diesen Armen beschäf­tigen, daß auch sie ständig darüber nachsinnt, wie ihnen durchgreifender zu helfen sei.

Isartal, Sonntag, den 14. April 1940

Seit drei Tagen bin ich wieder von meiner Reise zurück und mit ihrem Ergebnis recht zufrieden. Ich habe mich gefreut, meine Rückwanderer in Karlsruhe und Offenburg wiederzusehen. Die Besprechungen mit den Gemeindevor­sitzenden und den Fürsorgerinnen waren, wie ich glaube, für beide Teile wertvoll. Und last not least auch meine Werbereden im Hinblick auf die deportierten Stet­tiner werden, wie ich hoffen darf, fruchtbare Folgen zei­tigen. Die Briefe von dort, die sich bis zu meiner Abreise noch vermehrt hatten, machten auf alle, denen ich sie gab, tiefen Eindruck. Im übrigen bestätigte sich mir wieder ein­

7 Behrend, Ich stand nicht allein

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