zu lesen versteht, begreift man, daß sie auch nicht mehr damit rechnen, daß sie es bekommen. Es fehlt also überall am Allernotwendigsten. Sie haben keinerlei Medikamente und medizinische Instrumente, Nahrungsmittel sind äußerst knapp und schlecht, die Bekleidung völlig unzureichend! Die eingeborenen Juden scheinen wenig entzückt von der Belastung durch die Neuankömmlinge, sie verstehen sie weder in Sprache noch in Sitten und Gebräuchen. Was können wir tun? Zunächst haben die alten Finks einige Päckchen, je ein Kilo schwer, an den Sohn abgeschickt und um sofortige Bestätigung gebeten. Sobald wir sie haben, wollen wir beginnen, in größerem Umfange zu schicken. Ein Verzeichnis der abgesandten Sachen wurde brieflich befördert.

Ich war am Mittwoch bei den Quäkern, wie seit Monaten schon jede Woche. Mit Annemarie hat sich ein freund- schaftlich nahes Verhältnis entwickelt. Sie hat sofort ihre für uns unendlich wichtige Hilfe versprochen.

Isartal, Sonntag, den 24. März 1940

Die Päckchen sind bestätigt worden! Allerdings wurde ihnen verschiedenes entnommen: so alle Medikamente, dann Bett und Wurst, leider auch eine sehr schöne, neue, warme Wolljacke. Aber wir haben unsere Lehren daraus gezogen: Medikamente werden wir aus ihren ursprünglichen Pak- kungen lösen, möglichst primitiv verpacken und diese Ver- packung mit einer Nummer versehen. Brieflich muß dann mitgeteilt werden, was die Nummer bedeutet. Alle neuen Gegenstände müssenalt gemacht werden, vor allem auch Kleidungsstücke. Wir haben durch den jungen Stettiner Rabbiner um Namen und Adressen solcher Gemeindemit- glieder gebeten, die man mit der Verteilung der Gegen-

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