mit dem Zweck, die Eltern und den Bruder zu beruhigen, geschrieben war. Ich muß mir diesen Transport immer wieder vorstellen: In dem schrecklich harten Winter ohne genügenden Kälteschutz in Viehwagen ohne jede Bequem­lichkeit zusammengepfercht, vermutlich tage- und nächte­lang in ein völlig ungewisses Schicksal fahren! Und was sollen diese Menschen in Polen ? Hat man vor, ihnen be­stimmte Arbeiten zu übertragen? Doch wozu hat man dann auch die ganz Alten mitgenommen? Aber was nützt es, Fragen über Fragen zu stellen! Es bleibt uns nichts, als zu warten, bis wir wieder Nachricht haben. Wenn ihnen nur erlaubt wird, zu schreiben!

Isartal, Sonntag, den 17. März 1940

Inzwischen sind mehrere Nachrichten gekommen. Die et­wa tausend Menschen des Transportes sind in drei kleinen Orten des Kreises Lublin untergebracht worden, der Rab­biner mit seiner Frau in Piaski mit dem Hauptteil, etwa sechshundert Menschen. Die Greise und die Kranken, un­gefähr hundert an der Zahl, schickte man nach Glusk und den Rest nach Belzyce . Die Fahrt dauerte drei Nächte und fast drei Tage und muß unbeschreiblich furchtbar gewesen sein. Eine größere Anzahl Menschen starben unterwegs, hauptsächlich an Erfrierungen, viele andere leiden auch heute noch an schweren Frost- und Erkältungsschäden. An den Bestimmungsorten wurden alle bei den jüdischen Ein­wohnern der drei Orte untergebracht, die in einer für un­sere Begriffe geradezu unvorstellbaren Armut und Primi­tivität leben. Die Neuankömmlinge besitzen wirklich nur, was sie auf dem Leibe tragen oder in Handtasche oder Rucksack bei sich im Wagen hatten. Ihr Gepäck haben sie bis heute nicht erhalten, und wenn man zwischen den Zeilen

91