gleichzeitig die Lieferung von Gemüse und Kartoffeln. Das Betreten jedes anderen als der zugewiesenen Lebensmittel­geschäfte ist den Juden strengstens verboten und soll schwer geahndet werden. Das ist eine sehr harte Maẞ­nahme, viele unserer Leute haben verhältnismäßig weite Wege bis zu ihren Läden. Die Jüdische Gemeinde wird mit dafür verantwortlich gemacht, daß die Bestimmungen genau befolgt werden. Auf Mangelware, d. h. vor allem auf Obst, ebenso auf Sonderzuteilungen, die die übrige Be­völkerung häufiger einmal erhält, wie Reis, Bohnenkaffee, Hülsenfrüchte usw. haben die Juden nicht nur keinen An­spruch, sondern sie dürfen ihnen nicht geliefert werden.- Wir alle haben in der Gemeinde mitgeholfen, die Vorar­beiten für die Kartenausgabe so schnell wie möglich zu er­ledigen. Eine genaue Statistik aller Bezugsberechtigten, die Benachrichtigung der einzelnen, wann die Abholung zu er­folgen hat, und in welchen Geschäften sie ihre Lebens­mittel kaufen sollen, mußten gemacht werden. Betroffen werden nur diejenigen, welche innerhalb des Stadtgebiets wohnen, München muß auch auf diesem Gebiete dokumen­tieren, daß es den Namen ,, Hauptstadt der Bewegung" zu Recht führt. Ich bekomme meine Lebensmittelkarten weiter von dem Nachbarflecken ohne jede Beschränkung oder Kennzeichnung.

Diese Maßnahmen sind ganz offensichtlich erlassen, um die jüdische Bevölkerung auf jede mögliche Art und Weise ihre Pariastellung stets aufs neue fühlen zu lassen und ihr das auch sonst gewiß nicht leichte Leben noch besonders zu erschweren. Erstaunlich erscheint mir dabei, daß unsere Menschen im allgemeinen mit einer bewundernswerten An­passungsfähigkeit darauf reagieren. Die ständigen Nadel­stiche und Schikanen erreichen, wenigstens von außen ge­sehen, ihren Zweck nicht mehr. Man nimmt mit ziemlicher Gelassenheit hin, was nicht zu ändern ist, und fügt sich seufzend in das Unvermeidliche. Immer stärker beginnen sich die zwar noch unsichtbaren Mauern des Ghettos um

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