ist, da wir anderseits nicht, wie die ,, arische" Bevölkerung, eine Kleiderkarte erhalten, praktisch also weder Wäsche noch Kleidung kaufen können, werden uns die Quäker ge­rade in diesem Punkte besonders nützlich sein.

Der Krieg mit Polen ist beendigt, Hitlers Friedensan­gebot an England und Frankreich ist, wie zu erwarten war, nicht angenommen worden: Der wahre Krieg beginnt nun erst. Was wird er uns noch alles an Entsetzlichem bringen, und wie lange wird er dauern?! Hitlers Rede vom 19. Sep­tember, die Tilla und ich in einem Café mitanhörten, wo wir uns zur Feier ihres Geburtstages trafen, hat mich tief erschreckt. ,, Wir werden niemals kapitulieren, und wenn der Krieg drei Jahre, wenn er vier Jahre, ja, wenn er fünf Jahre dauern sollte!" Aber ich will nicht daran denken, daß er mit dieser Zeitangabe recht haben könnte, das würde mir die Kraft nehmen, auszuhalten. Ich will von einem Tage auf den anderen leben und arbeiten, nur das Nächstliegende sehen und mir die Hoffnung, ja die Ge­wißheit auf eine Vereinigung mit Dir und den Kinderr. unter keinen Umständen rauben lassen!

Isartal, Sonntag, den 5. November 1939

Wir haben in der Jüdischen Gemeinde eine neue Abtei­lung einrichten müssen. Alle Münchner Juden erhalten künftig ihre Lebensmittelkarten von der Kultusgemeinde. Sie sind mit einem ,, J", als Juden gehörig, gekennzeichnet. Gleichzeitig ist verfügt worden, daß jeder Jude nur in be­sonders namhaft gemachten Lebensmittelgeschäften ein­kaufen darf. Jedem wird ein Kolonialwaren-, ein Metzger­und ein Milch- und Brotgeschäft zugewiesen. Die Ge­schäfte erhalten eine Liste der bei ihnen kaufenden jü­dischen Kunden. Der Kolonialwarenladen übernimmt

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