reichte noch nicht aus. Es mußte eine neue Speiseanstalt geschaffen werden. Unser kleines Heim in der Wagner- straße in Schwabing hatte eine Küche, die früher als Lehr- küche für Volksschulkinder der obersten Klassen gedient hatte und nicht voll beansprucht war. Ehrenamtliche Hilfs- kräfte, die die nötige Arbeit übernahmen, waren bald ge- funden, und von morgen ab wird die neue Küche imstande sein, täglich bis zu sechzig Menschen ein gutes und reich- liches Mittagessen zu verabfolgen. Im gleichen Heim werden wir morgen Notquartiere vorbereiten, Strohsäcke für solche, die nicht sofort bei Familien untergebracht werden können. Gestern sind wieder etwa siebzig Men- schen angekommen, und für morgen ist eine noch größere Anzahl gemeldet. Die jüdische Gemeinde Ludwigshafen teilte mit, daß auch die Pfalz von jüdischen Einwohnern evakuiert wird, und daß eine Anzahl Pfälzer Juden zu uns kommen würden.

Die Zusammenarbeit mit Emmy K. funktioniert ausge- zeichnet, ich könnte mir keine geeignetere und liebere Mit- arbeiterin wünschen. Wir waren uns von Anfang an dar- über einig, daß der manchmal etwas rauhe Ton, der bei einigen Fürsorgern der Wohlfahrtsstelle herrscht, bei uns keinen Zugang haben soll; wir wollen unsere Schützlinge mit Freundlichkeit, wenn auch mit der notwendigen Energie behandeln. Daß auch diese nicht fehlen darf, zeigte sich schon heute: In einer streng orthodoxen Familie hatte ein Mann mit einer arisch-evangelischen Frau Aufnahme ge- funden, die von den jüdischen Speisegesetzen keine Ahnung hatte. Es war zu Zusammenstößen gekommen, und beide Parteien wandten sich voller Empörung an mich; eine Än- derung der Unterbringung mußte erfolgen, aber beiden Parteien mußte höchst nachdrücklich klargemacht werden, daß solche Schwierigkeiten sich leichter und besser ohne gegenseitiges Beschimpfen regeln lassen. Das Wohnungs- referat wurde gebeten, in Zukunft die Unterbringung auch unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte vorzunehmen.

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