war verschwunden, als die Aufforderung kam, das Heim in der Kaulbachstraße zu räumen. Das zweite Heim in der Mathildenstraße wurde nach langem Verhandeln Anfang Dezember wieder zurückgegeben und konnte neu einge­richtet und bezogen werden. Allerdings mußten sich die alten Leute gefallen lassen, die bisher jeder ein Zimmer für sich gehabt hatten, nun je nach Größe des Raumes zu zweien oder dreien in einem Zimmer untergebracht zu werden. Mir war übertragen worden, zusammen mit der Leitung die Unterbringung und den Einzug der alten Leute zu organisieren und durchzuführen. Es war nicht leicht, ihnen beizubringen, daß sie sich von einem Teil ihrer Sachen aus Platzmangel trennen mußten. Aber sie waren alle noch von den Erlebnissen ihrer Austreibung. her verschüchtert und froh, nun wieder eine Art Heimat und ein geregeltes Leben zu finden.

Die Verwaltung der Münchner Jüdischen Gemeinde fand Unterkunft in einer ehemaligen jüdischen Zigarettenfabrik, einem Hinterhaus in der Lindwurmstraße. Der chaotische Zustand der Straße, die für den Bau der Untergrundbahn völlig aufgerissen war, erschien mir wie ein Symbol unserer ganzen jüdischen Gemeinde. Aber man raffte sich auf, biß die Zähne aufeinander und arbeitete. In dem häßlichen Fabrikhaus entstanden durch Ziehen von Zwischenwänden Büroräume, denen durch einen hellen Anstrich ein freund­licheres Aussehen verliehen wurde. Es galt, viel Elend zu lindern. Alle jüdischen Angestellten in Kaufhäusern und den verschiedensten andern Betrieben hatten ihre Arbeit verloren und durften nicht mehr beschäftigt werden. Sie selbst waren fast ausnahmslos nach Dachau gebracht wor­den. Aber ihre Frauen und Kinder waren da und mußten weiter Miete zahlen und brauchten Mittel, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Sie suchten auch sonst Rat und Hilfe in den plötzlich veränderten Verhältnissen. So fand sich neben der Betreuung der Altersheime reichlich, ja über­reichlich fürsorgerische Arbeit in der Wohlfahrtsstelle.

80