wir mußten es tragen. Seufzend legte ich mich nieder, alle Glieder taten mir weh, und das Ruhen tat gut, wenn auch an Schlaf nicht zu denken war. Ich hörte genau die An­kunft des Schwiegersohns und der verheirateten Tochter und freute mich für Frau Schwarz, daß sie diese beiden nun zu ihrer Unterstützung hatte. Dann wieder schwor ich mir, daß wir alles Menschenmögliche tun würden, um aus­zuwandern, ganz gleich wohin, wenn wir diesmal heil da­vonkämen! Wenn wir nicht nach Argentinien konnten, mußte eben ein Zwischenland gefunden werden!-

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Endlich, endlich kam der Morgen. In der Zeitung stand, daß das über den Mord des Herrn von Rath empörte Volk überall im Reich zu Racheakten an den Juden geschritten war, die die Polizei nicht hatte hindern können. Als wir nach dem Frühstück mit herzlichem Dank das gastliche Haus verließen, sahen wir an allen Säulen und Mauern weithin leuchtende Plakate, die das Volk aufforderten, Ruhe zu bewahren. Gegen weitere Einzelaktionen werde streng vorgegangen werden. Die Juden würden für den bübischen Mord von Rechts wegen zur Buße herangezogen werden. Ich atmete auf, als ich Dich und Peter wohlbe­halten in Frau Bs. Wohnung antraf. Aber sie teilte uns mit, daß sie nicht wagen könne, Euch auch in der nächsten Nacht zu beherbergen beim Milchholen hatte sie er­fahren, man werde durch die Blockwalter Nachforschungen nach versteckten Juden anstellen lassen. Bis zum Nach­mittag könnten wir bei ihr bleiben, aber dann müßten wir eine anderweitige Unterkunft suchen. Aber wo? Ich rief unseren Bürgermeister an, ob wir nicht zurückkommen könnten. Er verneinte, eine Reihe von Tagen müßten wir noch fortbleiben, dann hoffe er, uns die Rückkehr ermög­lichen zu können. In meiner Verzweiflung rief ich noch­mals bei Helene Hecht an. Sie war selbst am Apparat. ,, Fünf Minuten nachdem Dein Mann mit Peter fort war, ist die Gestapo erschienen und hat meinen Mann mitge­nommen. Ich glaube, nun besteht keine Gefahr mehr, daß

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