alles bis jetzt so gut abgelaufen war, vor uns! Sie und ihre Mutter begleiteten uns nach herzlichem Abschied von unserer Wirtin auf den Bahnhof, wo sich auch Dr. Werner einfand. Ohne Trauer ließen wir Reichenhall zurück und ohne den Wunsch, es je wiederzusehen! Unsere Hochstimmung hielt an, wir genossen den Abend in München unendlich. Seit vielen Wochen schlief ich zum ersten Male wieder traumlos eine ganze Nacht durch.
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Die Gestapo hatte verfügt, daß wir bis zur Erledigung der schwebenden Sache in München zu bleiben hätten. Nun fragten wir an, ob uns nicht erlaubt würde, in der Umgebung zu wohnen, da uns die Großstadt mit ihrem lauten Treiben bedrückte. Das wurde uns sofort gestattet. Wir wählten Schäftlarn als Aufenthaltsort; der Klostergasthof mit seinem schönen, von Kastanien beschatteten Garten zog uns gleich an und ist uns ein rechtes Refugium geworden. Hier warteten wir das Ende der Angelegenheit ab und atmeten auf, als die Richter des Münchener Sondergerichts die Sache unter die Amnestie fallen ließen, so daß wir um die Aufregung einer Verhandlung und die Spannung um den Ausgang herumkamen! Von Schäftlarn aus fanden wir die Wohnung im Isartal. Schon beim ersten Besuch heimelten Haus und Garten uns an, und wir waren sehr froh, daß ihr Besitzer, dem wir natürlich gleich mitteilten, wer wir waren, einen Vertrag von zwei Jahren mit uns abschloß, der nach Ablauf dieser Frist ohne weiteres verlängert werden konnte. So wußten wir sehr erleichtert, daß das Wanderleben, welches wir im Sommer 1933 begannen, und das mit der letzten schrecklichen Periode Deiner Haft und ihrer Folgen bis zum August 1934 gedauert hatte, seinen Abschluß finden würde. Am 7. Juni wurdest Du verhaftet und Mitte August amnestiert, ein Zeitraum von nur neun Wochen während des Erlebens und in der Erinnerung eine ganze Ewigkeit!
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