häuser erworben hatte. Frau Winterling hatte sich ihr lie­benswürdig als Nachbarin für allerlei kleine Dienste zur Verfügung gestellt, so daß Frau L. ganz entzückt von ihr war. Bald darauf starb ihr Mann, ein Schauspieler, auf einer Gastspielreise. Frau L. fuhr sofort hin und erreichte schließlich, daß ihr nach der Einäscherung die Urne mit der Asche ihres Mannes ausgehändigt wurde, wahrschein­lich in der Annahme, sie werde die Urne in Reichenhall beisetzen lassen. Frau L. hatte die gute Nachbarin, die sich auch bei ihrer Abreise nach dem Empfang der Trauernach­richt sehr mitfühlend und zu allen Gefälligkeiten bereit ge­zeigt hatte, von ihrer Ankunft mit der Urne verständigt und fand ihr Wohnzimmer mit Blumen geschmückt zur Aufstellung der Urne vor. Frau Winterling schloß sie be­wegt in ihre Arme und drückte ihr mit Worten tiefen Mit­gefühls ihr Beileid aus. Aber zehn Minuten später erschien die Gendarmerie, von der gleichen Frau Winterling ver­ständigt, um Frau L. wegen der verbotenen Aufstellung der Urne in ihrer Wohnung zur Rechenschaft zu ziehen!

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Am kommenden Tag, dem Montag, brachte mir früh­morgens der Briefträger ein Telegramm und einen Eil­brief. Das Telegramm war von Herrn Landgerichtspräsi­denten Zahn des Inhalts, daß er gern bereit sei, zu kommen und zu helfen. Er bäte um telegraphische Mitteilung, wenn der Anwalt sein Erscheinen für nötig hielte. Der Eilbrief war von Friedrich Sch., dem Studenten, und enthielt einen kurzen Privatbrief für mich, in dem er ausdrückte, er hoffe, das beiliegende Zeugnis werde uns nützen, er habe es absichtlich möglichst sachlich, ohne jeden Überschwang gehalten, obwohl er sich gern enthusiastischer geäußert hätte. Er sei zu jeder eingehenderen Auskunft gern bereit, wolle auch, falls das verlangt würde, seine Aussagen vor Gericht eidlich bekräftigen. Ich eilte sofort mit diesem Zeugnis, das ziemlich umfangreich und sehr gut und ge­schickt abgefaßt war und dessen Abschrift Du mit dem ganzen Aktenmaterial mit nach England genommen hast,

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