ging hinunter. In der Gaststube kam eine Frau auf mich zu, die ich sofort als diejenige erkannte, die in dem Dorf Frau Winterling und auch uns wöchentlich einmal mit Butter und Eiern beliefert hatte. Ich konnte mir nicht vor­stellen, was sie von mir wollte. Sie war noch jung und ist mir stets sympathisch gewesen, aber wir hatten nie mehr miteinander gesprochen, als eben mein Einkauf bedingte. Nun sah ich sie in großer Erregung. ,, Es tut mir leid, was Ihnen zugestoßen ist", sprudelte sie hervor ,,, mein Mann hat mich gedrängt, zu Ihnen zu gehen. Ich hab' Sie schon immer vor Frau Winterling warnen wollen, aber nie hat sie uns allein gelassen. Sie hat schon viele Menschen ins Unglück gebracht, o, ich fürchte sie wie den leibhaftigen Teufel! Ich weiß vieles von ihr, und mein Mann hat gemeint, ich müßte Ihnen das sagen. Wenn es nötig ist, will ich das auch vor Gericht tun, sie hat ja mit ihren Lügen so manche Leute hereingelegt. Vielleicht kann das doch dem Herrn Doktor nützen. Und dann noch etwas: Wir haben ein Häuschen nicht weit von hier, und wenn Sie aus der Nähe der bösen Frau fortwollen, mein Mann und ich nehmen Sie gern auf, und Sie sollen die Wohnung ganz billig haben!" Ich war gerührt und dankte ihr herzlich für die Freundlichkeit. Ich würde meinem Anwalt berichten, daß sie bereit sei, als Zeuge für Frau Winterlings Unglaubwürdigkeit aufzu­treten. Von ihrem Wohnungsangebot wollte ich vorläufig keinen Gebrauch machen, um möglichst in Deiner Nähe zu sein. Sie hat dann später ihre Aussage auf Wunsch von Herrn Dr. Werner schriftlich festgelegt.

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Übrigens bekam ich ähnliche Besuche noch häufiger in den nächsten Wochen, so daß Herr Dr. Werner schließlich Namen und Adressen mehrerer Frauen in den Akten hatte, die bereit waren, gegen Frau Winterling Zeugnis abzu­legen. Ich erinnere mich ihrer aller, erzählen will ich nur noch von einer, deren Bericht mir besonders charakteri­stisch für Frau Winterlings Art erschien. Es war eine Dame, die vor einer Reihe von Jahren eines der Nachbar­

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