wie der Regierungsrat von B., die Sache für sehr ernst halte, darf ich Ihnen nicht verhehlen. Gibt es keinen Ju­risten in höherer Stellung, der Ihrem Mann befreundet ist und ihn von seiner früheren Tätigkeit her kennt, der mich in seiner Sache unterstützen könnte? Ueberhaupt, je mehr Zeugnisse von Männern wir erlangen können, deren Na­men in der juristischen Sphäre eine gewisse Bedeutung haben, desto günstiger für uns. Bei dem Sondergericht in München , vor das die Angelegenheit zweifellos kommt, wird das seinen Eindruck nicht verfehlen." Zum Schluß versprach er, Dich noch heute im Gefängnis zu besuchen. Ich ging etwas beruhigter von ihm, überzeugt, keinen besseren Ver­treter unserer Sache finden zu können.

In unserem Stübchen setzte ich mich hin und schrieb an Deinen früheren Vorgesetzten, schilderte die Schwierig­keit kurz, in die wir geraten waren und fragte an, ob er mir ein Zeugnis, wie es der Anwalt für gut fand, geben könnte. Wenige Tage später kam die sehr höfliche, aber ablehnende Antwort. Ich schrieb aber auch an den ehe­maligen Landgerichtspräsidenten Zahn, der Dich seit vie­len Jahren von der Arbeit her kannte und sich auf dieser sachlichen Grundlage mit Dir befreundet hatte. Es war ein regelmäßiger Briefwechsel daraus erwachsen, der auch in den letzten Monaten fortgeführt worden war. Ihn, der sich nach dem Umsturz hatte pensionieren lassen und in ein buen retiro im Riesengebirge zurückgezogen hatte, fragte ich an, ob er, wenn der Anwalt das für nötig hielte, herkommen würde, um ihn zu unterstützen. Ich wüßte wohl, daß ich um etwas sehr Großes bäte, und nur die Gefahr, in der Du schwebtest, gäbe mir den Mut, es zu wagen. Er möge mir aber in aller Offenheit schreiben, wenn er meinen Wunsch nicht erfüllen könne.

Inzwischen wechselten wir beide täglich kurze Briefe und waren übereingekommen, den Verwandten in Berlin und unserer Tochter Gustel vorläufig nichts von dem Vor­gefallenen mitzuteilen. Sie könnten nichts helfen und wür­

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