Zuerst wollte mir lange niemand einfallen, aber dann dachte ich an Friedrich Sch., den Studenten, dem wir, da er mittellos war, unsere Mansarde überlassen hatten und ihn auch beköstigten. Wir lernten ihn im Perower Volks­hochschulheim von Fritz Klatt kennen, in dem wir beide gelegentlich als Gastlehrer gewirkt hatten, und dem wir die Bekanntschaft vieler junger Menschen verdankten. Friedrich Sch. studierte Philosophie und half, als Gegen­gabe für Kost und Logis, unserem Jungen bei seinen Schul­arbeiten. Wir schätzten beide den jungen frischen Men­schen sehr, er war im Winter 1933 zu uns gekommen und bis Ende April geblieben. Dann ging er nach Leipzig an die Universität, schrieb uns aber weiterhin ziemlich regel­mäßig. Er hatte uns auch mitgeteilt, daß er zum Führer der philosophischen Fachschaft der Universität gewählt worden war. Gleich nach dem Mittagessen setzte ich mich hin und schrieb ihm ausführlich, was sich in den letzten Tagen ereignet hatte. Selbstverständlich teilte ich ihm die Beschuldigungen nicht im einzelnen mit, es genügte für ihn zu wissen, daß Dir unqualifizierbares Schimpfen auf die Regierung und daneben uns beiden schlechte Behand­lung und Ausbeutung unserer Hausangestellten vorgewor­fen wurden. Ich fragte ihn an, ob er meine, uns ein sol­ches Zeugnis, wie es der Regierungsrat für gut erachtete, ausstellen zu können, ohne sich selbst damit zu schaden.-

Am Nachmittag um drei Uhr machte ich mich zur Kanzlei des Anwalts auf. Aber es war Samstag, und ich wußte nur zu genau, was ein Samstagnachmittag in Bayern bedeutete. Wie erwartet, fand ich die Kanzlei geschlossen. Schweren Herzens ging ich zur Privatwohnung. Wenn auch der Zeitpunkt meiner Absichten nicht gerade günstig war, so konnte ich einfach nicht länger warten, ich mußte es wagen! Zaghaft stand ich vor der Wohnungstür und klingelte. Eine sehr freundlich aussehende Dame öffnete, und ich bat, Herrn Dr. Werner in einer dringenden Angelegen­heit sprechen zu dürfen. Frau Werner sie war es selbst­

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