hall oder Umgebung verkehrt hätten. Ich bestritt auch, daß wir unvorsichtig gewesen seien. Wir hätten uns zwar häufig mit ihr unterhalten, auch politisch, aber wir hätten uns immer sehr korrekt und vorsichtig geäußert und uns über ihr hemmungsloses Schimpfen manchmal gewundert. Zaghaft wagte ich dann die Frage, ob ich Dich besuchen dürfe. Das wurde verneint. ,, Aber schreiben dürfen Sie jeden Tag. Sie geben mir die Briefe zur Kontrolle, ich lasse sie zu Ihrem Mann befördern. Und Sie dürfen den Inspektor des Gefängnisses Ihren Mann fragen lassen, ob er irgendwelche Wünsche habe in bezug auf Genuẞmittel oder Wäsche und Kleidungsstücke. Uebrigens darf er als Schutzhäftling besondere Kost haben, die nach Ihren Wünschen zubereitet wird. Ich werde ihm auch sagen, daß er Ihnen schreiben kann. Aber ich darf Ihnen nicht verhehlen, daß die ganze Sache außerordentlich ernst und gefährlich ist." Ich konnte dann allerlei für Dich besorgen, darunter das kleine Daunenkissen, das ich extra anfertigen und mit mehreren Bezügen zum Wechseln versehen ließ. Die Inhaberin des Geschäfts, die mich selbst bediente, meinte: ,, Das soll gewiß für einen lieben Kranken sein, daß es mit solcher Liebe ausgesucht wird?" Ich konnte nur nicken.- Am Nachmittag holte ich mir den Bescheid, daß ich morgen früh um neun Uhr zur Vernehmung in der Gendarmeriestation erwartet werde, und erhielt zu meiner größten Freude das erste Zettelchen von Dir! Im Hotel hatte ich inzwischen das ,, Fürstenzimmer" mit einem sehr einfachen, aber freundlichen im obersten Stockwerk vertauscht, in dem drei Betten standen. Die Kinder, die mich tagsüber ständig begleitet hatten, ließ ich heute früh zu Bett gehen und fuhr zu unserem Arzt und seiner Frau, um ihnen zu berichten, was geschehen war. Zugleich bat ich ihn, mir einen Anwalt zu empfehlen, der unsere Sache führen würde. ,, Ich glaube, ich weiß einen geeigneten Anwalt für Sie", sagte Dr. G. ,,, zwar kenne ich ihn nicht persönlich, aber Dr. Werner ist mir so oft gerühmt worden, daß ich
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