Ich mußte hinunter in die Küche, Resis Schwester war früh abgefahren, um ihre Sachen für die neue Stelle zu rüsten, und das Mittagsgeschirr mußte gespült werden. In der schrecklichen Küche überfiel mich das Gefühl der kommenden Schwierigkeiten und die ganze Tragweite des Entsetzlichen, das wir erfahren hatten, so stark, daß ich meine Tränen nicht zurückhalten konnte. Gleich darauf erschien Frau Winterling, um irgend etwas zu holen und sah meine Tränenspuren. Sofort eilte sie auf mich zu, um­armte und streichelte mich und sagte: ,, Aber Sie dürfen doch das, was der Sekretär Ihnen mitteilte, nicht tragisch nehmen! Es wird schon alles gut werden, die bösen Men­schen, die solche Verfügungen erlassen, sind es doch nicht wert, daß Sie deswegen auch nur eine Träne vergießen!" ,, Da haben Sie recht", sagte ich energisch und machte mich von ihrer Umarmung frei ,,, das lohnt sich wirklich nicht." ,, So ist's richtig", entgegnete sie noch, indem sie in ihren Wohnraum zurückkehrte.-

Am Nachmittag kam Hedwig, unsere neue, kleine Haus­hilfe. Wir hatten inzwischen überlegt, sie mitzunehmen, wenn wir bald fortgehen würden. Sie hatte keine genaue Zeit ihrer Ankunft angegeben, aber Du hattest ihr den kurzen Weg vom Bahnhof bis zum Hause genau beschrie­ben. Frau Winterling zeigte ihr, wo unsere Zimmer waren. Hedwig gefiel mir auf den ersten Blick mit ihrem offenen Gesicht, ihren frischen Farben, den schönen schwarzen Augen und dem krausen dunklen Haar. Schnell hatte sie die erste Befangenheit überwunden. ,, Als ich in das Haus kam und die Frau unten mich begrüßte", so plauderte sie, als wir nach dem Kaffee zusammen beim Strümpfestopfen auf dem Balkon saßen ,,, bekam ich einen Schreck, weil ich meinte, sie sei es, zu der ich käme. Aber bei der wäre ich nicht geblieben, lieber wäre ich noch heute wieder nach Hause gefahren!" ,, Aber was hat sie denn zu dir gesagt?" fragte ich. ,, Nichts Besonderes, aber sie ist mir halt zu­wider", gab sie freimütig zur Antwort. Dieses Naturkind

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